Schneewittchen muss sterben
ein schwacher Mensch, der außerhalb des Windschattens seiner Frau zu einem rückgratlosen Männlein schrumpfte. »Ich weiß überhaupt nichts mehr! Meine Frau hat mir erzählt, dass es Bilder geben soll, aber Thies kann ja kaum die E-Mails und Briefe geschrieben haben.«
»Wann hat Sie Ihnen davon erzählt?«
»Irgendwann.« Lauterbach stützte die Stirn in die Hände, schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht mehr genau.«
»Versuchen Sie, sich zu erinnern«, drängte Bodenstein. »War es bevor oder nachdem Amelie verschwunden ist? Und woher wusste Ihre Frau davon? Wer kann es ihr erzählt haben?«
»Mein Gott, ich weiß es nicht!«, jammerte Lauterbach. »Ich weiß es wirklich nicht!«
»Denken Sie nach!« Bodenstein lehnte sich wieder zurück. »Sie waren an dem Samstagabend, an dem Amelie verschwand, gemeinsam mit Ihrer Frau und dem Ehepaar Terlinden im Ebony Club in Frankfurt essen. Ihre Frau und Christine Terlinden fuhren gegen halb zehn nach Hause, Sie fuhren mit Claudius Terlinden zurück. Was haben Sie gemacht, nachdem Sie den Ebony Club verlassen hatten?«
Gregor Lauterbach dachte angestrengt nach und schien zu begreifen, dass die Polizei eine ganze Menge mehr wusste, als er angenommen hatte.
»Ja, ich glaube, meine Frau hat mir auf der Fahrt nach Frankfurt erzählt, dass Thies dem Nachbarsmädchen irgendwelche Bilder gegeben hätte, auf denen ich angeblich abgebildet sei«, gab er widerwillig zu. »Sie hatte es am Nachmittag erfahren, von einer anonymen Anruferin. Wir hatten dann keine Gelegenheit mehr, darüber zu sprechen. Daniela und Christine fuhren um halb zehn weg. Ich fragte Andreas Jagielski nach Amelie Fröhlich, ich wusste ja, dass sie im Schwarzen Ross bedient. Jagielski rief bei seiner Frau an, und die bestätigte, dass Amelie bei der Arbeit sei. Claudius und ich sind also nach Altenhain gefahren und haben auf dem Parkplatz vor dem Schwarzen Ross auf das Mädchen gewartet. Sie kam aber nicht.«
»Was wollten Sie denn von Amelie wissen?«
»Ob sie diese anonymen E-Mails und Briefe an mich geschrieben hat.«
»Und? Hat sie?«
»Ich konnte sie ja nicht fragen. Wir warteten im Auto, es war ungefähr elf oder halb zwölf. Da tauchte Nathalie auf. Ich meine, Nadja. Nadja von Bredow nennt sie sich ja jetzt.«
Bodenstein blickte kurz auf und begegnete Pias Blick.
»Sie lief auf dem Parkplatz herum«, fuhr Lauterbach fort, »guckte ins Gebüsch und ging schließlich hinüber zur Bushaltestelle. Da erst fiel uns auf, dass dort ein Mann saß. Nadja versuchte, den Mann zu wecken, aber vergeblich. Schließlich fuhr sie weg. Claudius rief vom Handy aus im Schwarzen Ross an und fragte nach Amelie, aber Frau Jagielski sagte ihm, sie sei schon lange weg. Daraufhin sind Claudius und ich in sein Büro gefahren. Er hatte die Befürchtung, dass die Polizei in Kürze herumschnüffeln würde. Eine Hausdurchsuchung konnte er nicht gebrauchen, deshalb wollte er ein paar brisante Unterlagen woanders hinbringen.«
»Welche Unterlagen?«, fragte Bodenstein.
Gregor Lauterbach sträubte sich ein wenig, aber nicht lange. Claudius Terlinden hatte sich seine Machtposition über Jahre hinweg mit Bestechung im großen Stil gesichert. Er sei zwar immer wohlhabend gewesen, aber richtig zu Geld sei er erst Ende der neunziger Jahre gekommen, als er mit seiner Firma expandiert hatte und an die Börse gegangen war. Dadurch hatte er großen Einfluss in Wirtschaft und Politik bekommen. Die besten Geschäfte habe er dann mit Ländern gemacht, gegen die offiziell ein Wirtschaftsembargo verhängt worden war, beispielsweise mit Iran und Nordkorea.
»Diese Unterlagen wollte er an dem Abend verschwinden lassen«, schloss Lauterbach. Nun, da es nicht mehr direkt um ihn ging, gewann er wieder an Selbstsicherheit. »Da er sie aber nicht vernichten wollte, haben wir sie in meine Wohnung nach Idstein gebracht.«
»Aha.«
»Ich habe mit dem Verschwinden von Amelie oder Thies nichts zu tun«, beteuerte Gregor Lauterbach. »Und ich habe auch niemanden ermordet.«
»Das wird sich zeigen.« Bodenstein schob die Bilder zusammen und legte sie zurück in die Akte. »Sie dürfen nach Hause fahren. Aber Sie stehen unter polizeilicher Beobachtung, und wir werden Ihr Telefon überwachen. Außerdem bitte ich Sie, sich zur Verfügung zu halten. Geben Sie mir auf alle Fälle Bescheid, bevor Sie Ihr Haus verlassen.«
Lauterbach nickte demütig. »Könnten Sie meinen Namen nicht wenigstens vorerst aus der Presse heraushalten?«, bat
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