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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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als er vor ihr zurückwich. Ihr Atem stand wie eine weiße Wolke in der kalten Morgenluft. »Ich wollte ja gar nicht so weit gehen, aber …«
    »Hör auf!«, schrie er unvermittelt. »Du
hast
mir weh getan! So weh, wie mir überhaupt noch nie ein Mensch getan hat! Ich will keine Entschuldigungen und Rechtfertigungen von dir hören, denn egal, was du auch sagst, du hast alles kaputtgemacht! Alles!« Cosima schwieg.
    »Wer weiß, wie oft du mich schon betrogen hast, so routiniert, wie du mich getäuscht und angelogen hast«, fuhr er mit zusammengebissenen Zähnen fort. »Was hast du auf all deinen Reisen getrieben? Durch wie viele Betten hast du dich gewälzt, während dein treudoofer, gutgläubiger Spießermann brav mit den Kindern zu Hause gesessen und auf dich gewartet hat? Vielleicht hast du sogar über mich gelacht, weil ich so dämlich war, dir zu vertrauen!«
    Wie giftige Lava quollen diese Worte aus seinem gekränkten Innern empor; endlich entlud sich die aufgestaute Enttäuschung. Cosima ließ seinen Ausbruch über sich ergehen, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Wahrscheinlich ist Sophia überhaupt nicht mein Kind, sondern das von irgendeinem dieser zotteligen, windigen Filmtypen, mit denen du dich so gerne umgibst!«
    Er verstummte, als ihm bewusst wurde, wie ungeheuerlich dieser Vorwurf war. Doch nun, da er ihn ausgesprochen hatte, ließ er sich nicht mehr zurücknehmen.
    »Ich hätte für unsere Ehe beide Hände ins Feuer gelegt«, sagte er mit gepresster Stimme. »Aber du hast mich belogen und betrogen. Ich werde dir niemals wieder vertrauen können.«
    Cosima straffte die Schultern.
    »Ich hätte mir denken können, dass du so reagierst«, entgegnete sie kühl. »Selbstgerecht und kompromisslos. Du siehst die ganze Sache nur aus deinem egoistischen Blickwinkel.«
    »Aus welchem soll ich sie sonst sehen? Aus dem von deinem Russenliebhaber, oder was?« Er schnaubte. »Die Egoistin von uns beiden, die bist du! Zwanzig Jahre lang hast du nicht nach mir gefragt und bist wochenlang unterwegs gewesen. Mir hat das nie gefallen, aber ich habe es akzeptiert, weil deine Arbeit eben ein Teil von dir ist. Dann warst du schwanger. Du hast mich gar nicht gefragt, ob ich noch ein Kind will, das hast du für dich entschieden und mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Dabei wusstest du genau, dass du mit einem kleinen Kind nicht mehr um die Welt gondeln kannst. Aus lauter Langeweile hast du dich in eine Affäre gestürzt – und jetzt willst du mir vorwerfen, ich sei ein Egoist? Wäre es nicht alles so traurig, dann würde ich lachen!«
    »Als Lorenz und Rosi klein waren, konnte ich trotzdem arbeiten. Da hast du auch mal die Verantwortung übernommen«, wandte Cosima ein. »Aber ich will mit dir auch nicht diskutieren. Es ist passiert. Ich habe einen großen Fehler gemacht, aber ich werde ganz sicher nicht in Sack und Asche gehen, bis du beliebst, mir zu verzeihen.«
    »Und warum bist du dann gekommen?« Das Handy in seiner Manteltasche klingelte und vibrierte, aber er beachtete es nicht.
    »Ich werde nach Weihnachten für vier Wochen die Expedition von Gavrilow durch die Nordostpassage begleiten«, verkündete Cosima ihm. »Du wirst dich in dieser Zeit um Sophia kümmern müssen.«
    Bodenstein starrte seine Frau sprachlos an, als habe sie ihm soeben ins Gesicht geschlagen. Cosima war nicht etwa gekommen, um ihn um Verzeihung zu bitten, nein, sie hatte längst eine Entscheidung über ihre Zukunft getroffen. Eine Zukunft, in der für ihn offenbar nur noch der Job des Babysitters vorgesehen war. Seine Knie wurden weich wie Butter.
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst«, flüsterte er.
    »Doch. Ich habe den Vertrag schon vor ein paar Wochen unterschrieben. Es war mir klar, dass es dir nicht gefallen würde.« Sie zuckte die Schultern. »Es tut mir leid, wie es gekommen ist, ehrlich. Aber ich habe in den letzten Monaten viel nachgedacht. Ich würde es bis ans Ende meines Lebens bereuen, wenn ich diesen Film nicht mache …«
    Sie redete noch weiter, aber ihre Worte kamen nicht mehr bei ihm an. Das Wichtigste hatte er begriffen: Innerlich hatte sie ihn längst verlassen, ihr gemeinsames Leben von sich abgeschüttelt. Eigentlich war er sich ihrer nie ganz sicher gewesen. All die Jahre hatte er geglaubt, die völlige Gegensätzlichkeit ihrer Charaktere sei das Besondere an ihrer Beziehung, das Salz in der Suppe, aber nun wurde ihm klar, dass sie einfach nicht zueinander passten. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
    Und

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