Schneewittchen muss sterben
habe ihm regelmäßig geschrieben und auf ihn gewartet. Ich wollte alles wieder gutmachen, ja, ich wollte alles für ihn tun. Und ihn davon abhalten, wieder nach Altenhain zurückzukehren, aber er war so stur!«
»Sie
wollten
ihn nicht davon abhalten«, bemerkte Bodenstein, »Sie
mussten
ihn davon abhalten. Denn es hätte ja sein können, dass er Ihre Rolle bei diesem traurigen Theaterstück durchschaut hätte. Und genau das durfte nicht passieren. Sie haben ihm ja die treue Freundin vorgespielt.«
Nadja von Bredow lächelte frostig und schwieg.
»Aber Tobias ist zu seinem Vater gegangen«, fuhr Bodenstein fort. »Sie konnten ihn nicht daran hindern. Und dann tauchte auch noch Amelie Fröhlich auf, die fatalerweise aussieht wie Stefanie Schneeberger.«
»Diese dumme kleine Kuh hat ihre Nase in Dinge gesteckt, die sie einen Scheißdreck angehen«, knirschte Nadja zornig. »Tobi und ich hätten irgendwo auf der Welt ein neues Leben angefangen. Ich habe genug Geld. Irgendwann wäre Altenhain nur noch eine böse Erinnerung gewesen.«
»Und Sie hätten ihm niemals die Wahrheit gesagt.« Pia schüttelte den Kopf. »Was für eine tolle Basis für eine Beziehung.«
Nadja würdigte sie keines Blickes.
»Sie haben Amelie als Bedrohung erkannt«, sagte Bodenstein. »Also haben Sie Lauterbach die anonymen Briefe und E-Mails geschrieben. Denn Sie konnten damit rechnen, dass er etwas unternehmen würde, um sich zu schützen.«
Nadja von Bredow zuckte die Schultern.
»Damit haben Sie Fürchterliches angerichtet.«
»Ich wollte verhindern, dass Tobias wieder verletzt wird«, behauptete sie. »Er hat schon genug gelitten, und ich …«
»Papperlapapp!«, schnitt Bodenstein ihr das Wort ab. Er trat an den Tisch heran und nahm ihr gegenüber Platz, so dass sie ihn ansehen musste. »Sie wollten verhindern, dass er herausfindet, was Sie damals getan – oder besser gesagt: nicht getan haben! Sie hätten ihn als Einzige vor der Verurteilung und dem Gefängnis bewahren können, haben das aber unterlassen. Aus gekränkter Eitelkeit, aus kindischer Eifersucht. Sie haben mit angesehen, wie seine Familie in diesem Dorf gedemütigt und vernichtet wurde, haben Ihrer großen Liebe aus purem Egoismus zehn Jahre seines Lebens gestohlen, nur damit er eines Tages ganz Ihnen gehören würde. Das ist so ziemlich der niedrigste Beweggrund, der mir seit langem untergekommen ist!«
»Sie verstehen das nicht!«, entgegnete Nadja von Bredow mit plötzlicher Verbitterung. »Sie haben ja keine Ahnung, wie es ist, ständig zurückgewiesen zu werden!«
»Und jetzt hat er Sie wieder zurückgewiesen, nicht wahr?« Bodenstein beobachtete scharf ihr Gesicht, registrierte ihr Mienenspiel, das von Hass über Selbstmitleid zu wütendem Trotz reichte. »Er glaubte, tief in Ihrer Schuld zu stehen, aber das reicht nicht. Er liebt Sie heute so wenig wie damals. Und Sie können ja nicht immer darauf hoffen, dass jemand Ihre Konkurrentinnen aus dem Weg schafft.«
Nadja von Bredow starrte ihn hasserfüllt an. Für einen Moment war es totenstill im Verhörraum.
»Was haben Sie mit Tobias Sartorius gemacht?«, fragte Bodenstein.
»Er hat gekriegt, was er verdient hat«, erwiderte sie. »Wenn ich ihn nicht haben kann, dann soll ihn auch keine andere haben.«
»Die ist ja total krank im Kopf«, sagte Pia fassungslos, als Nadja von Bredow von mehreren Polizisten abgeführt worden war. Sie hatte getobt und geschrien, als sie begriffen hatte, dass man sie nicht gehen lassen würde. Den Haftbefehl hatte Bodenstein mit drohender Fluchtgefahr begründet, schließlich besaß Nadja von Bredow Häuser und Wohnungen im Ausland.
»Eine Psychopathin«, bestätigte er nun. »Zweifellos. Als ihr klarwurde, dass Tobias Sartorius sie noch immer nicht liebt, trotz allem, was sie für ihn getan hat, da hat sie ihn umgebracht.«
»Glaubst du, dass er tot ist?«
»Ich befürchte es zumindest.« Bodenstein erhob sich von seinem Stuhl, als Gregor Lauterbach nun von einem Beamten hereingeführt wurde. Sein Anwalt erschien nur Sekunden später.
»Ich will mich mit meinem Mandanten besprechen«, verlangte Dr. Anders.
»Das können Sie später tun«, erwiderte Bodenstein und musterte Lauterbach, der wie ein Häufchen Elend auf dem Plastikstuhl saß. »So, Herr Lauterbach. Jetzt reden wir Tacheles. Nadja von Bredow hat Sie soeben schwer belastet. Sie haben Stefanie Schneeberger am Abend des 6. September 1997 vor der Scheune des Sartorius-Hofes mit einem Wagenheber erschlagen, weil
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