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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Kathrin Fachinger am Kaffeeautomat im Flur, wo sie ein Schwätzchen mit der Sekretärin von Kriminalrätin Dr. Nicola Engel hielt. Die Zeiten, in denen Kathrin mit Rüschenblusen und karierten Hosen herumzulaufen pflegte, waren vorüber. Ihre runde Eulenbrille hatte sie gegen ein modernes eckiges Modell getauscht, und seit neuestem trug sie knallenge Jeans, hochhackige Stiefel und knappe Pull-överchen, die ihre beneidenswert schlanke Figur perfekt zur Geltung brachten. Den Grund für diese Veränderung kannte Pia nicht, und wieder einmal fiel ihr auf, wie wenig sie über das Privatleben ihrer Kollegen wusste. Auf jeden Fall hatte das Küken der Abteilung deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen.
    »Pia! Warte mal!«, rief Kathrin, und Pia blieb stehen.
    »Was gibt's?«
    Kathrin blickte sich wie eine Verschwörerin auf dem Flur um.
    »Ich war gestern Abend mit ein paar Freunden in Sachsenhausen«, sagte sie dann mit gesenkter Stimme. »Du glaubst nicht, wen ich da gesehen habe!«
    »Doch nicht etwa Johnny Depp?«, spöttelte Pia. Jeder vom K 11 wusste, dass Kathrin eine glühende Verehrerin des amerikanischen Schauspielers war.
    »Nein, ich habe Frank gesehen«, fuhr Kathrin unbeeindruckt fort. »Er arbeitet hinter der Bar im Klapperkahn und ist alles andere als krank.«
    »Ach!«
    »Na ja, jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Eigentlich müsste ich's dem Chef sagen, oder?«
    Pia runzelte die Stirn. Wenn man als Polizeibeamter einen Nebenjob ausüben wollte, musste man einen Antrag stellen und die Genehmigung abwarten. Ein Job in einer Kneipe mit eher zweifelhaftem Ruf gehörte ganz sicher nicht zu denen, die genehmigt wurden. Falls Kathrin richtig gesehen hatte, riskierte Behnke einen Verweis, eine Geldbuße oder gar ein Disziplinarverfahren.
    »Vielleicht ist er nur für einen Kumpel eingesprungen.« Pia hatte für ihren Kollegen Behnke nicht viel übrig, aber ihr war nicht ganz wohl beim Gedanken an die Konsequenzen, die eine offizielle Anschuldigung nach sich ziehen würde.
    »Ist er nicht.« Kathrin schüttelte den Kopf. »Er hat mich gesehen und ist sofort auf mich losgegangen. Er hat mir unterstellt, ich würde ihm nachspionieren. So ein Quatsch! Und dann sagt dieser Arsch auch noch, ich könnte was erleben, wenn ich ihn verpetze!«
    Kathrin war verständlicherweise tief gekränkt und wütend. Pia zweifelte keine Sekunde an ihrer Darstellung. Das hörte sich ganz nach ihrem Lieblingskollegen an. Behnke besaß so viel Sinn für Diplomatie wie ein Pitbull.
    »Hast du der Schneider eben schon was gesagt?«, forschte Pia.
    »Nein.« Kathrin schüttelte den Kopf. »Obwohl ich's am liebsten getan hätte. Ich bin so was von sauer!«
    »Kann ich verstehen. Frank hat echt ein Talent, andere auf die Palme zu bringen. Lass mich mit dem Chef reden. Vielleicht kann man die Sache auch diskret regeln.«
    »Warum eigentlich?«, entgegnete Kathrin aufgebracht. »Warum nimmt jeder diesen Mistkerl in Schutz? Er darf sich hier alles erlauben, seine miese Laune an uns auslassen, und nichts passiert.«
    Sie sprach Pia aus der Seele. Aus irgendeinem Grund besaß Frank Behnke Narrenfreiheit. In dem Moment bog Bodenstein in den Flur ein.
    Pia sah Kathrin an. »Du musst selbst wissen, was du tust«, sagte sie.
    »Das tue ich auch«, erwiderte Kathrin und ging entschlossen auf Bodenstein zu. »Ich muss mal kurz mit Ihnen reden, Chef. Unter vier Augen.«
    Amelie hatte entschieden, dass Recherchen über die Mädchenmorde in Altenhain eindeutig höhere Priorität besaßen als die Schule, und deshalb nach der dritten Stunde der Lehrerin weisgemacht, sie sei krank. Nun saß sie an ihrem Schreibtisch vor ihrem Laptop, gab den Namen des Nachbarssohnes bei Google ein und erhielt tatsächlich Hunderte von Treffern. Mit wachsender Faszination las sie die Presseberichte über die Ereignisse aus dem Sommer 1997 und die Gerichtsverhandlung, bei der Tobias Sartorius zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt worden war. Es war ein reiner Indizienprozess gewesen, denn die Leichen der Mädchen waren nie gefunden worden. Genau das hatte man Tobias zum Vorwurf gemacht; sein Schweigen hatte sich strafverschärfend auf das Urteil ausgewirkt. Amelie betrachtete die Fotos, die einen dunkelhaarigen Jungen mit noch unfertigen Gesichtszügen zeigten, in denen der Mann zu erahnen war, der er einmal sein würde. Tobias Sartorius musste heute ziemlich gut aussehen. Auf den Bildern trug er Handschellen, aber er versteckte sein Gesicht weder unter einer Jacke noch

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