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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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und räumte weiter auf. Wie wäre es, wenn sie
ihm
von den Bildern erzählte?
    Auch wenn Frau Dr. Engel nachdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass es keine neuen Ermittlungen in zwei elf Jahre alten Mordfällen geben würde, beschäftigte Pia sich weiterhin mit den sechzehn Ordnern. Nicht zuletzt, um ihre Gedanken von der Drohung hinter den lapidaren Worten des Bauamtes abzulenken. Sie hatte im Geiste das neue Haus auf dem Birkenhof schon eingerichtet und zu dem geschmackvoll-gemütlichen Heim gemacht, von dem sie immer geträumt hatte. Viele von Christophs Möbeln passten wunderbar in ihre innenarchitektonischen Träume: der uralte, zerkratzte Refektoriumstisch, an dem zwölf Personen ohne Not Platz hatten, das knautschige Ledersofa aus seinem Wintergarten, das antike Vertiko, die zierliche Recamiere … Pia seufzte. Vielleicht würde sich ja doch noch alles zum Guten wenden und das Bauamt die Genehmigung erteilen, damit sie loslegen konnten.
    Sie konzentrierte sich wieder auf die vor ihr liegende Akte, überflog einen Bericht und notierte sich zwei Namen. Ihre letzte Begegnung mit Tobias Sartorius hatte ein eigenartiges Gefühl in ihr hinterlassen. Was, wenn er die ganzen Jahre über die Wahrheit gesagt hatte, wenn er tatsächlich nicht der Mörder der beiden Mädchen war? Abgesehen davon, dass dann der wirkliche Mörder noch immer frei herumlief, hätte das Fehlurteil ihn zehn Jahre seines Lebens und seinen Vater die Existenz gekostet. Neben ihren Notizen skizzierte sie das Dorf Altenhain. Wer wohnte wo? Wer war mit wem befreundet? Auf den ersten Blick waren Tobias Sartorius und seine Eltern damals im Dorf geachtete und beliebte Personen gewesen. Las man jedoch zwischen den Zeilen, sprach deutlich der Neid aus den Worten der vernommenen Leute. Tobias Sartorius war ein bemerkenswert gutaussehender junger Mann gewesen, intelligent, sportlich, großzügig. Er schien die allerbesten Voraussetzungen für eine großartige Zukunft mitzubringen, niemand sagte etwas Schlechtes über den Klassenprimus, die Sportskanone, den Mädchenschwarm. Pia betrachtete einige Fotos. Wie hatten sich Tobias' unscheinbare Freunde mit ihren glänzenden Pickelgesichtern im ständigen Vergleich mit ihm gefühlt? Wie musste es sein, immer im Schatten zu stehen, bei den hübschesten Mädchen nur zweite Wahl zu sein? Waren Neid und Eifersucht nicht vorprogrammiert? Und dann bot sich unversehens eine Gelegenheit, sich für all die kleinen Niederlagen zu rächen: »…
Ja, ein bisschen jähzornig kann der Tobias schon sein«,
hatte einer seiner besten Freunde ausgesagt.
»Besonders, wenn er was getrunken hat. Dann flippt er schon mal richtig aus.«
    Als einen sehr guten, ehrgeizigen Schüler, dem alles zuflog, der aber auch unglaublich diszipliniert lernen konnte, hatte ihn sein ehemaliger Lehrer charakterisiert. Ein Wortführer, selbstbewusst bis zur Überheblichkeit, bisweilen ein Hitzkopf, ziemlich reif für sein Alter. Ein Einzelkind, das von seinen Eltern geradezu angebetet wurde. Aber auch jemand, der mit Konkurrenz und Niederlagen nur schlecht umgehen konnte. Verflixt, wo hatte sie das bloß gelesen? Pia blätterte hin und her. Das Vernehmungsprotokoll von Tobias' Lehrer, zum Zeitpunkt ihres Verschwindens auch der Lehrer der beiden Mädchen, war nicht mehr da. Pia stutzte, kramte auf ihrem Schreibtisch nach ihren Notizen der vergangenen Woche und verglich ihre Aufstellung der Namen mit der Liste, die sie heute angefertigt hatte.
    »Das ist ja ein Ding«, sagte sie.
    »Was ist los?« Ostermann blickte kauend an seinem Computerbildschirm vorbei.
    »In der Akte fehlen die Vernehmungsprotokolle von Gregor Lauterbach zur Sache Stefanie Schneeberger und Tobias Sartorius«, erwiderte sie, blätterte weiter hin und her. »Wie geht das denn?«
    »Sie werden in einem anderen Ordner sein.« Ostermann wandte sich wieder seiner Arbeit und seinem Donut zu. Er aß die fettigen Gebäckringe für sein Leben gern, und Pia wunderte sich seit Jahren, dass ihr Kollege nicht längst dick und fett war. Ostermann musste einen sensationellen Stoffwechsel haben, um die Tausenden von Kalorien zu verbrennen, die er jeden Tag in sich hineinmampfte. Sie an seiner Stelle würde jedenfalls nur noch durch die Gegend rollen.
    »Nein.« Pia schüttelte den Kopf. »Sie sind echt nicht mehr da!«
    »Pia«, sagte Ostermann in geduldigem Tonfall. »Wir sind bei der
Polizei.
Hier kommt keiner einfach so rein und klaut Protokolle aus einem alten Aktenordner!«
    »Das weiß

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