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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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und nahm einen Schluck aus seinem Bierglas.
    »Isch glaab, des du se net mehr alle hast!«, fuhr Roswitha ihn an. »Was tatst denn du saache, wenn der Mörder von deiner Tochter plötzlisch vor dir stehe tat?«
    Wolfgang zuckte gleichgültig die Schultern.
    »Und was weiter?«, drängte Achim. »Wo ist er hingegangen?«
    »Ei, enei ins Haus«, sagte Roswitha. »Der werd sisch gewunnert habbe, als er gesehe hat, wie's do jetzt aussieht.«
    Die Schwingtür ging auf. Jenny Jagielski marschierte in die Küche und stemmte die Arme in die Seiten. Wie ihre Mutter Margot Richter war sie ständig in dem Glauben, ihr Personal würde hinter ihrem Rücken in die Kasse greifen oder über sie herziehen. Drei kurz aufeinanderfolgende Schwangerschaften hatten die Figur der ohnehin stämmigen Jenny vollends verdorben: Sie war so rund wie ein Fass.
    »Roswitha!«, rief sie scharf der um dreißig Jahre älteren Frau zu. »Tisch will zahlen!«
    Roswitha verschwand gehorsam, und Amelie wollte ihr folgen, aber Jenny Jagielski hielt sie zurück.
    »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du diese unappetitlichen Piercings rausnehmen und dir eine gescheite Frisur machen sollst, wenn du zur Arbeit kommst!« Die Missbilligung stand ihr in das aufgeschwemmte Gesicht geschrieben. »Außerdem wäre eine Bluse passender als dieses Leibchen! Da kannst du ja gleich in Unterwäsche bedienen! Wir sind eine anständige Gaststätte und keine … keine Berliner Untergrunddisko!«
    »Den Männern gefällt's aber«, erwiderte Amelie schnippisch. Jenny Jagielskis Augen verengten sich, rote Flecken erschienen wie flammende Male an ihrem fetten Hals.
    »Das ist mir egal«, zischte sie drohend. »Lies dir mal die Hygienevorschriften durch!«
    Amelie lag schon eine heftige Erwiderung auf der Zunge, aber sie beherrschte sich in der letzten Sekunde. Auch wenn ihr die Jagielski von ihrer verbrannten Billigdauerwelle bis zu den fleischigen Bratwurstwaden von Herzen zuwider war, so durfte sie es sich nicht mit ihr verscherzen. Sie brauchte den Job im Schwarzen Ross.
    »Und ihr?« Die Chefin funkelte ihre Köche an. »Habt ihr nichts zu tun?«
    Amelie verließ die Küche. Just in diesem Augenblick kippte Manfred Wagner mitsamt dem Barhocker um.
    »Hey, Manni«, rief einer der Männer vom Stammtisch. »Es ist doch erst halb zehn!« Die anderen lachten gutmütig. Niemand regte sich sonderlich darüber auf, wiederholte sich dieses Schauspiel doch so oder ähnlich an beinahe jedem Abend, üblicherweise allerdings erst gegen elf. Man rief dann seine Frau an, die innerhalb weniger Minuten erschien, die Zeche bezahlte und ihren Mann nach Hause bugsierte. Heute Abend jedoch veränderte Manfred Wagner die Choreographie. Der sonst so friedfertige Mann rappelte sich ohne fremde Hilfe auf, wandte sich um, packte sein Bierglas und schmetterte es auf den Boden. Die Gespräche an den Tischen verstummten, als er auf den Stammtisch zuwankte.
    »Ihr Arschlöcher«, nuschelte er mit alkoholschwerer Zunge. »Ihr sitzt hier und quatscht blödes Zeug, als war nichts! Euch kann's ja auch egal sein!«
    Wagner hielt sich an einer Stuhllehne fest und blickte aus blutunterlaufenen Augen wild in die Runde. »Aber ich, ich muss dieses … Schwein … sehen und … dran denken …« Er brach ab und senkte den Kopf. Jörg Richter war aufgestanden und legte Wagner nun die Hand auf die Schulter.
    »Komm, Manni«, sagte er. »Mach keinen Ärger. Ich ruf die Andrea an, und die …«
    »Fass mich nicht an!«, heulte Wagner auf und stieß ihn so heftig weg, dass der jüngere Mann ins Taumeln geriet und stürzte. Im Fallen hielt er sich an einem Stuhl fest und riss den darauf Sitzenden mit zu Boden. Im Nu herrschte Chaos.
    »Ich bring das Schwein um!«, brüllte Manfred Wagner immer wieder. Er schlug um sich, die vollen Gläser auf dem Stammtisch kippten um, ihr Inhalt ergoss sich über die Kleidung der Männer auf den Boden. Fasziniert verfolgte Amelie von der Kasse aus das Spektakel, während ihre Kollegin mitten im Getümmel ums Überleben kämpfte. Eine richtig fette Schlägerei im Schwarzen Ross! Endlich passierte mal etwas in diesem öden Kaff! Jenny Jagielski walzte an ihr vorbei in die Küche.
    »Eine anständige Gaststätte«, murmelte Amelie spöttisch und erntete dafür einen finsteren Blick. Sekunden später kam die Chefin mit Kurt und Achim im Gefolge aus der Küche gestürmt. Die beiden Köche überwältigten den Betrunkenen im Handumdrehen. Amelie schnappte sich den Handfeger und

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