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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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gesagt, bis er selbst überzeugt gewesen war, es getan zu haben. Er sah Nadja an.
    »Okay«, flüsterte er heiser. »Ich fahre nicht hin. Aber … was ist, wenn ich es wirklich getan habe?«
    »Kein Wort zur Presse oder zu irgendjemandem wegen des Handys!«, ordnete Bodenstein an. Alle an der Hausdurchsuchung beteiligten Beamten hatten sich unter der Toreinfahrt versammelt. Es goss in Strömen, dazu waren die Temperaturen in den vergangenen vierundzwanzig Stunden um zehn Grad gefallen. In den Regen mischten sich erste Schnee flocken.
    »Aber wieso nicht?«, begehrte Behnke auf. »Der Kerl macht sich in Ruhe aus dem Staub, und wir stehen da wie die Idioten!«
    »Ich will hier keine Hexenjagd vom Zaun brechen«, entgegnete Bodenstein. »Die Stimmung im Dorf ist aufgeheizt genug. Es besteht eine absolute Informationssperre, bis ich mit Tobias Sartorius gesprochen habe. Ist das klar?«
    Die Männer und Frauen nickten, nur Behnke verschränkte trotzig die Arme und schüttelte den Kopf. Die Demütigung von vorhin glomm in ihm wie eine brennende Lunte, das wusste Bodenstein. Darüber hinaus hatte Behnke genau begriffen, was sein Einsatz bei der Spurensicherung bedeutete: Diese Degradierung war eine Strafe. Bodenstein hatte ihm bei seinem Vieraugengespräch klargemacht, wie bitter enttäuscht er von Behnkes Vertrauensbruch war. In den vergangenen zwölf Jahren hatte Bodenstein immer großzügig die Probleme ausgebügelt, die sich Behnke wegen seines explosiven Temperaments regelmäßig eingehandelt hatte. Aber nun, das hatte er ihm deutlich gesagt, war Schluss damit. Dieser Verstoß gegen die Regeln war auch mit familiären Problemen nicht zu entschuldigen. Bodenstein hoffte, dass Behnke sich an seine Anweisung halten würde, denn sonst gab es keine Möglichkeit mehr, ihn vor einer drohenden Suspendierung zu bewahren. Er wandte sich ab und folgte Pia mit schnellen Schritten zum Auto.
    »Gib eine Fahndung nach Tobias Sartorius durch.« Er ließ den Motor an, fuhr aber noch nicht los. »Verdammt, ich war mir sicher, dass wir auf dem Hof noch irgendeine Spur von dem Mädchen finden würden!«
    »Du glaubst, er war's, stimmt's?« Pia griff zum Telefon und rief bei Ostermann an. Die Scheibenwischer schrammten über die Windschutzscheibe, das Gebläse der Heizung lief auf Hochtouren. Bodenstein biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. Wenn er ehrlich war, blickte er überhaupt nicht durch. Immer wenn er versuchte, sich auf den Fall zu konzentrieren, schob sich das Bild einer nackten Cosima, die sich mit einem fremden Mann in den Laken wälzte, vor sein inneres Auge. Hatte sie sich gestern wieder mit dem Kerl getroffen? Als er spätabends nach Hause gekommen war, hatte sie schon im Bett gelegen und geschlafen. Er hatte die Gelegenheit genutzt, ihr Handy zu kontrollieren, und dabei festgestellt, dass sämtliche Ruflisten und SMS gelöscht worden waren. Diesmal hatte er nicht einmal mehr ein schlechtes Gewissen verspürt, auch nicht, als er ihre Tasche und ihren Mantel gefilzt hatte. Beinahe hätte er seinen Verdacht schon wieder verworfen, als er in ihrem Portemonnaie, versteckt zwischen den Kreditkarten, zwei Kondome gefunden hatte.
    »Oliver!« Pias Stimme schreckte ihn aus seinen Gedanken. »Kai ist in Amelies Tagebuch auf eine Stelle gestoßen, an der sie schreibt, dass ihr Nachbar offenbar jeden Morgen darauf warte, sie mit zur Bushaltestelle nehmen zu können.«
    »Ja und?«
    »Der Nachbar ist Claudius Terlinden.«
    Bodenstein begriff nicht, worauf Pia hinauswollte. Er konnte nicht nachdenken. Er war überhaupt nicht frei im Kopf, um diese Ermittlung leiten zu können.
    »Wir müssen mit ihm reden«, sagte Pia mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme. »Wir wissen noch viel zu wenig vom Umfeld des Mädchens, als dass wir uns auf Tobias Sartorius als einzigen möglichen Täter festlegen sollten.«
    »Ja, du hast recht.« Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr auf die Straße.
    »Achtung! Der Bus!«, schrie Pia, aber zu spät. Bremsen quietschten, Metall krachte auf Metall, das Auto wurde von einem heftigen Stoß erschüttert. Bodensteins Kopf knallte unsanft gegen das Seitenfenster.
    »Na super.« Pia öffnete ihren Gurt und stieg aus. Benommen blickte Bodenstein über die Schulter nach hinten und erkannte durch die regennasse Scheibe die Umrisse eines großen Fahrzeugs. Etwas Warmes lief über sein Gesicht, er berührte seine Wange und starrte verwirrt auf das Blut an seiner Hand. Erst dann realisierte er, was

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