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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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es einfach nicht über mich, hier alles herauszureißen.«
    Er nahm die Stühle von einem runden Tisch in der Nähe des Tresens, bot Bodenstein und Pia mit einer Handbewegung Platz an.
    »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee vielleicht?«
    »Ja, das wäre nett.« Bodenstein lächelte. Sartorius ging geschäftig hinter dem Tresen hin und her, nahm Tassen aus dem Schrank, füllte Kaffeebohnen in die Maschine. Vertraute, tausendmal ausgeführte Handgriffe, die ihm Sicherheit gaben. Dabei erzählte er lebhaft von früher, als er noch selbst geschlachtet, gekocht und seinen eigenen Apfelwein gekeltert hatte.
    »Aus Frankfurt sind die Leute hierhergekommen«, sagte er mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. »Nur wegen unserm Ebbelwoi. Und wer schon alles hier war! Oben, im großen Saal, da wurde jede Woche gefeiert. Früher, bei meinen Eltern, gab's Kino und Boxkämpfe und was nicht alles. Damals hatten die Leute noch keine Autos und fuhren nicht woandershin zum Essen.«
    Bodenstein und Pia wechselten einen stummen Blick. Hier, in seinem Reich, war Hartmut Sartorius wieder der Chef, dem das Wohl seiner Gäste am Herzen lag und den die Schmierereien an der Fassade ärgerten, nicht mehr länger der geduckte, gedemütigte Schatten, zu dem ihn die Umstände gemacht hatten. Erst jetzt erfasste Pia die ganze Tragweite des Verlustes, den dieser Mann erlitten hatte, und empfand tiefes Mitgefühl. Sie hatte ihn fragen wollen, weshalb er nach den Vorfällen damals nicht aus Altenhain weggezogen war, aber nun erübrigte sich diese Frage. Hartmut Sartorius war mit dem Dorf, in dem seine Familie seit Generationen lebte, so fest verwurzelt wie die Kastanie draußen im Hof.
    »Sie haben den Hof aufgeräumt«, begann Bodenstein das Gespräch. »Das muss viel Arbeit gewesen sein.«
    »Das hat Tobias gemacht. Er will, dass ich alles verkaufe«, erwiderte Sartorius. »Eigentlich hat er recht damit, wir werden hier nie wieder auf einen grünen Zweig kommen. Aber das Problem ist, dass mir der Hof nicht mehr gehört.«
    »Wem denn?«
    »Wir mussten viel Geld aufnehmen, um den Anwalt für Tobias zu bezahlen«, erzählte Sartorius bereitwillig. »Es überstieg unsere Möglichkeiten, zumal wir uns ohnehin schon verschuldet hatten, um die neue Küche in der Gaststätte, einen Traktor und verschiedene andere Sachen zu bezahlen. Drei Jahre konnte ich noch die Schulden abstottern, aber dann … Die Gäste blieben weg. Ich musste das Lokal schließen. Wäre Claudius nicht gewesen, wir hätten von heute auf morgen auf der Straße gestanden.«
    »Claudius Terlinden?«, fragte Pia nach und zückte ihren Block. Plötzlich begriff sie, was Andrea Wagner neulich mit der Bemerkung gemeint hatte, sie wolle nicht in dieselbe Lage geraten wie Sartorius. Lieber gehe sie arbeiten, als sich in die Abhängigkeit von Claudius Terlinden zu begeben.
    »Ja. Claudius war der Einzige, der zu uns hielt. Er hatte den Anwalt besorgt und Tobias später regelmäßig im Gefängnis besucht.«
    »Aha.«
    »Die Familie Terlinden gibt es in Altenhain schon genauso lange wie unsere. Der Urgroßvater von Claudius war der Schmied im Dorf, bis er eine technische Erfindung gemacht hat, aus der sich eine Schlosserei entwickelt hat. Claudius' Großvater schließlich hat daraus die Firma gemacht und die Villa oben am Wald gebaut«, erzählte Hartmut Sartorius. »Die Terlindens waren immer sozial eingestellt und haben viel für das Dorf, ihre Mitarbeiter und deren Familien getan. Sie hätten es heute nicht mehr nötig, aber Claudius hat für jeden ein offenes Ohr. Er hilft jedem, der in der Bredouille ist. Ohne seine Unterstützung hätten die Vereine im Dorf keine Chance. Der Feuerwehr hat er vor ein paar Jahren ein neues Löschfahrzeug geschenkt, er ist im Vorstand vom SV und sponsert die 1. und 2. Mannschaft. Ja, auch den Kunstrasenplatz verdanken sie ihm.«
    Er blickte einen Moment versonnen vor sich hin, aber Bodenstein und Pia hüteten sich, seinen Redefluss zu unterbrechen. Nach einer Weile sprach Sartorius weiter.
    »Claudius hat Tobias sogar einen Job in seiner Firma angeboten. Bis er etwas anderes gefunden hätte. Lars war ja auch damals Tobias' bester Freund. Er ist bei uns ein und aus gegangen wie ein zweiter Sohn, und Tobias war auch bei Terlindens wie daheim.«
    »Lars«, bemerkte Pia. »Er ist geistig behindert, nicht wahr?«
    »O nein, nicht Lars.« Sartorius schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das ist Thies, der Ältere der beiden. Und er ist auch nicht geistig

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