Schneewittchen-Party
Kindergesellschaft gemacht hat. Sie selbst waren nicht dabei, glaube ich?«
»Nein. In letzter Zeit geht mir’s nicht gut, und Kinderfeste können sehr anstrengend sein. Ich habe sie hingefahren und bin später wiedergekommen, um sie abzuholen. Meine drei Kinder sind zusammen hingegangen. Ann, das ist die ältere, sie ist sechzehn, und Leopold, er ist fast elf. Was war das für eine Bemerkung, die Joyce gemacht hat?«
»Ich glaube, sie hat gesagt, dass sie einmal Zeuge eines Mordes geworden ist.«
»Joyce? Das kann sie nicht gesagt haben. Was für ein Mord soll das denn gewesen sein?«
»Nun ja, alle scheinen das auch für sehr unwahrscheinlich zu halten. Ich wollte nur wissen, ob Sie es für möglich halten. Hat sie Ihnen gegenüber jemals davon gesprochen?«
»Dass sie einen Mord gesehen hat? Joyce?«
»Sie müssen bedenken«, sagte Poirot, »dass das Wort ›Mord‹ von Kindern in Joyce’ Alter vielleicht in einem etwas unpräzisen Sinn gebraucht wird. Es kann sich zum Beispiel darum gehandelt haben, dass jemand von einem Auto überfahren worden ist oder Kinder sich geschlagen haben und eins das andere vielleicht von einer Brücke in den Fluss gestoßen hat. Etwas Unbeabsichtigtes, das einen unglücklichen Ausgang genommen hat.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass hier etwas in dieser Art passiert wäre, sodass Joyce es hätte sehen können. Und ganz gewiss hat sie nie etwas zu mir gesagt. Sie muss einen Witz gemacht haben.«
»Sie war aber sehr entschieden«, sagte Mrs Oliver. »Sie sagte immer wieder, dass es stimme und dass sie es wirklich gesehen habe.«
»Hat ihr jemand geglaubt?«, fragte Mrs Reynolds.
»Das weiß ich nicht«, sagte Poirot.
»Ich glaube nicht«, sagte Mrs Oliver, »oder vielleicht wollte auch niemand sagen, dass er ihr glaubte, um sie nicht zu ermutigen.«
»Sie lachten sie aus«, sagte Poirot, weniger rücksichtsvoll als Mrs Oliver.
»Das war nicht sehr nett von ihnen«, sagte Mrs Reynolds. »Als wenn Joyce bei so etwas lügen würde.« Ihr Gesicht war gerötet, und sie sah zornig aus.
»Ich weiß. Es scheint unwahrscheinlich«, sagte Poirot. »Eher war schon möglich, dass sie sich geirrt hatte, nicht wahr? Dass sie etwas gesehen hat, wovon sie dachte, man könnte es als Mord bezeichnen. Irgendeinen Unfall vielleicht.«
»Wenn überhaupt, hätte sie doch wohl mir etwas davon gesagt nicht wahr?«, sagte Mrs Reynolds, immer noch zorngerötet.
»Das sollte man annehmen«, sagte Poirot. »Sie hat nicht irgendwann in der Vergangenheit etwas gesagt? Sie können es vergessen haben. Zumal wenn es nicht wirklich wichtig war.«
»Wann soll denn das gewesen sein?«
»Das wissen wir nicht«, sagte Poirot. »Das ist eine der Schwierigkeiten. Es kann drei Wochen her sein – oder drei Jahre. Sie hat gesagt, sie sei noch ziemlich klein gewesen. Was sieht eine Dreizehnjährige als ziemlich klein, an? Sie erinnern sich an keine sensationellen Ereignisse hier in dieser Gegend?«
»Nein, ich glaube, nicht. Ich meine, man hört zwar Sachen oder liest sie in der Zeitung. Sie wissen, was ich meine, Überfälle auf Frauen oder auf ein Mädchen mit ihrem Freund und so etwas. Aber ich kann mich an nichts Besonderes erinnern, nichts, an dem Joyce Interesse genommen hätte.« .
»Aber wenn Joyce ganz eindeutig gesagt hat, dass sie einen Mord mit angesehen hat, würden Sie dann meinen, dass sie selbst davon überzeugt war?«
»Sie würde das doch nicht sagen, wenn sie nicht überzeugt davon wäre, oder?«, sagte Mrs Reynolds. »Ich glaube, sie muss irgendwas verwechselt haben.«
»Möglich. Ob ich wohl mit Ihren beiden Kindern sprechen kann, die auch bei der Gesellschaft waren?«
»Ja bitte, natürlich, obwohl ich nicht weiß, was sie Ihnen erzählen sollten. Ann macht oben Schularbeiten, und Leopold ist im Garten und setzt ein Modellflugzeug zusammen.«
Leopold war ein kräftiger, pausbäckiger Junge und offenbar völlig mit seinem Flugzeug beschäftigt. Es dauerte eine Weile, bis er seine Aufmerksamkeit den Fragen, die ihm gestellt wurden, zuwandte.
»Du warst doch dabei, nicht wahr, Leopold? Du hast gehört, was deine Schwester gesagt hat. Was hat sie denn gesagt?«
»Ach, Sie meinen über den Mord?« Es klang gelangweilt.
»Ja, genau das meine ich«, antwortete Poirot. »Sie hat gesagt, dass sie einmal einen Mord gesehen hat. Hat sie so etwas wirklich gesehen?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Leopold. »Wer sollte denn da ermordet worden sein? Typisch Joyce.«
»Wie meinst du
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