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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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herumzumessen.«
    Selbst Dr. Erdmann scheint erstaunt über Walters rauen Tonfall.
    »Na ja«, versucht er noch zu beschwichtigen, »jedenfalls habe ich schon im Krankenhaus angerufen, die wissen Bescheid, dass Sie Frau Merzinger bringen.«
    »Alles klar, Herr Doktor«, sage ich und schaue daraufhin Walter einen Moment länger als nötig in die Augen, dann stecke ich das Gerät wieder ein.
    Frau Merzinger bringt sicher kaum mehr als vierzig Kilo auf die Waage. Auf dem Tisch steht ihre Tasche, eine beigebraune Ledertasche, die ebenfalls fast nichts wiegt. Erst im RTW , als Walter sich auf den Fahrersitz schwingt, werfe ich einen Blick auf die Einweisungspapiere, aus denen ich mir die wichtigen Daten für unsere Einsatzformulare notiere. Kreszenzia Merzinger. Kreszenzia … klingt wie aus einer anderen Zeit … Jahrgang 1894 … Ich rechne: Knapp neunzig Jahre alt ist die alte Dame. Mit meinen Mitte zwanzig könnte ich ein Urenkel dieser Frau sein.
    Ich setze mich zu der Patientin und schnalle mich an. Zum Glück fährt Walter nicht so ruppig wie auf der Hinfahrt zum Altenheim.
    »Wie geht es Ihnen, Frau Merzinger, alles in Ordnung?«, erkundige ich mich nach einer Weile.
    Statt einer Antwort lächelt sie und nickt. Aber man sieht, dass ihr schon diese kleine Bewegung schwerfällt.
    »Möchten Sie mit dem Kopf ein wenig höher liegen?«
    »Nein, danke«, flüstert sie, »wir fahren ja nur ins Krankenhaus. Es wird ja nicht ewig gehen.«
    »Ja«, sage ich.
    Die alte Frau hat die Augen geschlossen, und ich betrachte ihr blasses, von tiefen Falten gezeichnetes Gesicht. Für einen Moment fällt das warme Abendlicht durch das Seitenfenster und bricht sich in ihren weißgrauen Locken. Sie hat eine angenehme Ausstrahlung, etwas Würdevolles, ja geradezu sonnig Heiteres. Mein Blick fällt wieder auf die Einweisungspapiere und das Geburtsjahr.
    1894.
    Ich überlege, wie diese alte Dame wohl mit Mitte zwanzig ausgesehen haben mag? Das war in den goldenen Zwanzigern. Als der Wagen um eine Kurve biegt, fällt noch einmal für einen kurzen Moment das Licht der tiefstehenden Sonne zu uns hinein und blendet mich. Für einen Moment scheint dort durch die Falten hindurch das Gesicht einer jungen Frau zu lächeln.
    »Was ist?«, fragt Frau Merzinger.
    Ertappt zucke ich zusammen.
    »Sie schauen mich ja ganz verliebt an«, kokettiert sie.
    Es ist mir unangenehm. Vor lauter Verlegenheit finde ich keine Antwort.
    »Ja«, sagt sie leise und legt die Hände über der weißen Decke zusammen, »ich war mal eine hübsche Erscheinung. Jetzt können Sie sehen, was die Zeit aus einem macht.«
    Sie schließt die Augen wieder. Faltige Lider.
    »Alles … alles geht schnell vorbei. Man kann nichts festhalten, junger Mann.«
    Ich schaue aus dem Fenster, sehe aber nicht wirklich, was vorüberzieht. Ich wundere mich über diese Begegnung. Eine alte Dame, die wie aus einer anderen Welt zu kommen scheint, und wer weiß, vielleicht schon bald am Ende ihres Lebens angekommen ist. Und ich sitze jetzt neben ihr, wir beide sind für eine kurze Zeit am gleichen Ort und teilen diesen Lebensmoment. Doch schon in zehn, fünfzehn Minuten werden sich unsere Wege wieder trennen, jeder kehrt zurück in seine Welt, folgt seiner Bestimmung …
    »Wir sind da«, sage ich leise, als wir am Krankenhaus ankommen. Walter rangiert den RTW rückwärts die Rampe hinauf. Frau Merzinger zwinkert mir versonnen zu.
    Zwei Ordensschwestern nehmen »unsere« Patientin in Empfang, aber Walter und ich heben sie noch von unserer Trage in das Bett, das die Schwestern bereitgestellt haben.
    »Beeil dich mit der Anmeldung«, treibt mich Walter an.
    »Ja!« Er geht mir auf die Nerven. Ich hebe rasch die Hand zum Abschied, aber Frau Merzinger wird bereits von den Schwestern in Beschlag genommen.
    Keine zwei Minuten hat die Erledigung des Papierkrams gedauert. Als ich das Schreibbrett auf das Armaturenbrett lege und den Haltegriff ergreife, um einzusteigen, überlege ich es mir anders.
    »Ich hab noch was vergessen, Walter!« Mit diesen Worten gehe ich auch schon Richtung Eingangshalle.
    »Mein Gott noch mal …!«, schickt mir Walter hinterher.
    Aber ich wende mich nicht einmal um.
    Neben einer der Säulen steht das Bett, in dem Frau Merzinger liegt. Mit einer Hand hält sie die Riemen der ledernen Tasche.
    Ich gehe zu der alten Dame und lege meine Hand auf ihren Arm.
    »Alles Gute, Frau Merzinger!«
    Sie lächelt mir zu.
    »Holen Sie mich wieder ab, wenn ich wieder gesund bin?«
    »Gern. Dann

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