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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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zu pressen, und erklärte mir nebenbei, wie man den Kopf des Kindes etwas bremst, den Dammschutz macht und die Drehung der Schultern im Becken der Mutter unterstützt, ohne selbst etwas aktiv zu bewegen. Der Arzt dokumentierte alles und kontrollierte im Wechsel mit mir den Blutdruck und den Puls der Patientin.
    Ein kurzer Blick durch die hohen Kreißsaalfenster nach draußen: bedeckter Himmel, der hier aus dem hell erleuchteten Raum heraus noch schwerer über der Landschaft zu hängen schien.
    Nur unregelmäßig wurden die Herztöne angezeigt.
    »Das ist schon okay«, sagte Claudia, die meine Anspannung bemerkt hatte, »in den Wehenpausen sind die Herztöne noch sichtbar.«
    Und dann war es so weit. Der Moment, auf den wir alle gewartet hatten: Die Haare eines dunklen Köpfchens kamen zum Vorschein.
    »Na also«, rief Claudia freudig, »da bist du ja!«
    Der weitere Geburtsvorgang ging schneller und einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte, nur eine gute halbe Stunde, nachdem wir in den Kreißsaal gekommen waren, hielt Claudia einen leicht blau gefärbten Säugling in die Höhe, ein Mädchen, das gerade mal doppelt so lang war wie eine von Claudias zierlichen Händen: Mit einem Schreien verkündete das winzige Wesen seine Ankunft.
    Als Claudia der Mutter das Kind auf den Bauch legte, sagte der Vater: »Anneee …«, und schaute seine Frau und das Kind mit glänzenden Augen an. » Anne ist türkisch und heißt ›Mama‹«, erklärte er, dann wischte er sich eine Träne aus dem Auge.
    Die junge Mutter sah erschöpft aus – aber wenn das Wort Glück eine vollendete Form finden könnte, dann wäre es der Anblick dieser Frau und das Strahlen im Gesicht des Vaters gewesen.
    Claudia notierte etwas und sagte: »Der erste APGAR ist 8.«
    »Ist das schlecht oder gut?«, fragte ich.
    »Für den ersten völlig in Ordnung. Der zweite, den wir nach ein paar Minuten machen, der wird sicher noch besser sein.«
    Mein Blick fiel noch einmal auf die junge Familie, der Vater beugte sich immer wieder über das Kind, trat dann einen Schritt zurück, hüpfte fast vor Freude und beugte sich wieder vor.
    »Und ich hatte schon gedacht, er ist vielleicht unzufrieden, dass es kein Sohn geworden ist«, flüsterte ich Claudia zu.
    Aber der Mann, der im Gegensatz zu seiner Frau mit einem leichten Akzent sprach, hatte mich doch gehört. »Siehst du an meine Tochter! Sie ist so gut wie jeder Junge!«, rief er.
    Claudia zog mich noch einmal zur Seite und erklärte mir, wie eine vollständige Nachgeburt auszusehen habe.
    »Erst, wenn die Nachgeburt komplett ist, gratulieren wir den Eltern. Das ist hier so Brauch. Erst dann ist sicher, dass es auch der Mutter gut geht.«
    Schließlich durfte ich das Fotografieren übernehmen. Mit der Polaroidkamera der Entbindungsstation.
    Das Baby im Arm der Mutter, eben noch wie im Schlaf, verzog im nächsten Moment verzweifelt das Gesicht und begann kläglich zu krähen. Ich drückte noch einmal ab.
    »Na, jetzt ist es aber auch gut«, sagte Claudia lachend. »Man könnte ja fast meinen, du bist stolzer als die Eltern.«
    Beim Abschied schenkte mir der Vater ein Foto.
    »Damit du nicht vergisst«, sagte er und nahm mich in den Arm.
    Die Novembersonne lässt das Gelb der Blätter an der Birke vor dem Haus leuchten. Noch einmal fällt mein Blick auf diesen kleinen schreienden Menschen auf dem Foto, einen Menschen, dem ich wohl nicht wieder begegnen werde.
    So eine Geburt ist eine merkwürdige Sache, dachte ich . Eine Freude, die durch und durch geht, wenn das Kind endlich da ist. Alle strahlen, sind glücklich. Selbst die Hebamme, die schon so viele Geburten erlebt hat, scheint irgendwie ergriffen.
    Aber das Kind? Wie mag es das Zur-Welt-Kommen erleben?
    Ich versuche, in dem vom Schrei verzerrten Gesicht des Mädchens zu lesen: Du siehst verzweifelt aus, kleiner Mensch. Aber ist das ein Wunder? Niemand kann dir erklären, warum du die heile Welt im Bauch deiner Mutter, diesen warmen, geschützten Ort, an dem für alles gesorgt war, verlassen musstest.
    Wie hat es sich wohl angefühlt, als dieser behütete Raum enger und enger wurde, dir keinen Platz mehr ließ und dich schließlich sogar ausspuckte in diese kalte Fremde, in eine ungewisse Zukunft? Jetzt musst du plötzlich so vieles lernen: zuerst das Atmen, dann, an der Brust deiner Mutter zu saugen, um satt zu werden. Das Gefühl von Hunger kanntest du noch gar nicht. Es ist wie ein Schmerz. Und du schreist in der Hoffnung, dass es irgendjemanden gibt, der dich

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