Schneller als der Tod
von der nichtsterilen Zone aus.
»In Japan spürt man den lieben langen Tag Lymphknoten auf, um sie vorsorglich wegzuschneiden. Weil in Japan der Gesundheitsdienst staatlich gelenkt ist.« Er zieht die beiden Muskelstränge auseinander. »Wundhaken«, sagt er. »Wir sind in der Bauchhöhle.«
Der Instrumentierpfleger baut den Wundhaken zusammen, einen großen Ring, den man so einsetzen kann, dass die Wunde offen bleibt.
Während wir warten, sieht Dr. Friendly wieder die nur zuschauende Studentin an. »Keine Sorge, wir werden hier noch früh genug verstaatlicht«, sagt er. »Stacey. Würden Sie mal einen Blick auf meinen Pieper werfen?«
»Klar, Dr. Friendly«, sagt Stacey. »Wo ist er?«
»In meiner Hose.«
Plötzlich haben wir einen Saal voll niedergeschlagener Augen. Stacey geht tapfer zu Friendly und klopft seinen Hintern ab.
»Vordere Tasche«, sagt er.
Wie ich wohl schon erwähnt habe, sind OP-Hosen und -Hemden zum Wenden gedacht. Wenn also die Gesäßtasche rechts außen ist, ist die Vordertasche links,
in
der Hose.
Stacey greift unter Friendlys Kittel und tastet um seinen Schritt herum. Dabei sieht sie mich an und zieht auf eine Art, die sie ziemlich sympathisch macht, die Nase kraus.
»Da ist nichts drin«, sagt sie schließlich.
»Das
wussten wir doch schon«, sagt der OP-Pfleger.
Alle lachen schallend. Friendly wird über seinem Mundschutz erst rot, dann fleckig. Er reißt dem Instrumentierpfleger den Wundhaken aus den Händen und verkeilt ihn unsanft in Squillantes Bauchhöhle.
»Wisst ihr was?«, sagt er, als der Haken sitzt. »Ihr könnt mich mal. An die Arbeit.«
Wir arbeiten. Eine Zeitlang hört man nichts als das Piepen von Squillantes EKG. Für mich ist jeder Piepton wie das Klingeln eines Weckers nach endlos langem, unruhigem Schlaf. Mein Arschmann-injizierter Unterarm fängt an zu zucken.
Aber wenigstens kommen wir voran. Als Erstes kämmen wir Squillantes Gedärme durch, deren Schlingen jeweils mit einer dünnen Gewebeschicht verbunden sind, die sie mit Blut und so weiter versorgt. Sie können also umeinandergleiten wie Haie in einem Bassin, lassen sich aber nicht einfach wie ein Seil abrollen. Man muss sie durchblättern wie einen Terminkalender oder ein Telefonbuch.
»Einen Tick Anti-Trendelenburg hätte ich gern«, sagt Friendly.*
(»Anti-Trendelenburg« heißt, dass die Füße des Patienten höher liegen als sein Kopf. Kein Chirurg der Neuen Welt brächte es jedoch über sich, »Kopf hoch« oder »Kopf runter« zu sagen. Falls Sie sich wundern, warum Ihre Blinddarmoperation vier Stunden gedauert hat.)
Die Anti-Trendelenburg-Lage hilft uns, die Eingeweide wegzuklappen und endlich zu Squillantes Magen zu gelangen.
Wie bei dem Einschnitt zu Beginn ist das eigentlich Komplizierte hier nicht die Entfernung des Magens, denn jeder Aztekenpriester hätte an einem guten Morgen fünf Mägen rausschneiden können, um gegen Mittag wieder auf dem Golfplatz zu sein. Das Schwierige ist, die Blutung in Schach zu halten - die zahlreichen Arterien zu finden und abzutrennen, die wie Radspeichen in den Magen münden -, damit Squillante nicht stirbt. Friendly ergreift einen zweiten Kauter und stöbert auf seiner Seite Arterien auf, wie ich es auf meiner tue.
»Komisch, ihr Arschlöcher«, fängt Friendly plötzlich wieder an. »Wie viel Jahre Ausbildung habe ich hinter mir? Elf? Fünfzehn? Mehr, wenn man die Highschool mitzählt. Und wofür? Damit ich meine Zeit mit ungebildeten Schwachköpfen zubringe, Genitalwarzenpartikel vom Kauter einatme und zusehen darf, wie meine Exfrau und die Hälfte aller HMO-Bonzen der Vereinigten Staaten mein Einkommen unter sich aufteilen. Na ja, die Partikel atmet ihr auch ein. Aber trotzdem.«
Seine Bewegungen werden ein bisschen sprunghaft. Vielleicht liegt das aber auch an meinem rasanten Schlaf-Wach-Rhythmus.
»Und danach kräht kein Hahn«, sagt Friendly.
»Ich
muss Leute
retten.
Leute wie dieses Arschloch mit seinem Ring am kleinen Finger, der ein Leben lang geraucht und Rindfleisch gefuttert und auf dem Hintern gesessen hat.«
Ich sage »Naht« und beginne eine der größeren Arterien abzubinden. Der Faden zerreißt mir in der Hand. Ich bitte um einen neuen.
»Die scheiß Rindfleischindustrie und die scheiß HMO-Industrie«, sagt Friendly. »Al-Kuhda und die HMOsamas. Die machen mir das Leben zur Hölle, während andere Leute sich gehenlassen. Tabak ist bestimmt ein Riesenspaß. Alles Mögliche, was ich mir versagt habe, wird Spaß machen. Während ich
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