Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
dieser konkreten Aufgabe? Wie viel Praxis hat sie?«
»Glaubt er wirklich, die Umgebung von Start-up-Firmen sei hinreichend regelmäßig, um ein intuitives Urteil zu rechtfertigen, das den Basisraten widerspricht?«
»Sie ist felsenfest von ihrer Entscheidung überzeugt, aber subjektives Überzeugtsein ist eine schlechte Kennzahl für die Genauigkeit eines Urteils.«
»Hatte er wirklich die Gelegenheit, zu lernen? Wie schnell und wie klar war das Feedback, das er über seine Urteile erhielt?«
23. Die Außensicht
Wenige Jahre nach Beginn meiner Zusammenarbeit mit Amos überzeugte ich einige Beamte im israelischen Bildungsministerium von der Notwendigkeit, einen Lehrplan für den Unterricht in Urteils- und Entscheidungstheorie an Highschools zu erarbeiten. Das Team, das ich zusammenstellte, um das Curriculum zu entwickeln und ein Lehrbuch darüber zu schreiben, umfasste mehrere erfahrene Lehrer, einige meiner Psychologie-Studenten und Seymour Fox, damals Dekan der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Hebräischen Universität, der ein Experte auf dem Gebiet der Curriculum-Entwicklung war.
Nachdem wir uns ein Jahr lang jeden Freitagnachmittag getroffen hatten, hatten wir eine detaillierte Kurzfassung des Syllabus (Lehrveranstaltungskonzepts) erarbeitet, ein paar Kapitel des Lehrbuchs geschrieben und einige Unterrichtsprobestunden gehalten. Wir alle hatten das Gefühl, gut voranzukommen. Als wir eines Tages Verfahren zur Abschätzung unbestimmter Größen diskutierten, kam mir die Idee, eine Übung durchzuführen. Ich bat alle Anwesenden, ihre Schätzung darüber aufzuschreiben, wie lange wir bräuchten, um einen fertigen Entwurf des Lehrbuchs beim Bildungsministerium einzureichen. Ich hielt mich dabei an eine Vorgehensweise, die wir bereits in unser Curriculum aufnehmen wollten: Die geeignete Methode, um Informationen von einer Gruppe zu gewinnen, besteht nicht darin, dass man eine öffentliche Diskussion beginnt, sondern darin, die Einschätzung jeder Person vertraulich einzusammeln. Dieses Verfahren nutzt das den Mitgliedern der Gruppe zur Verfügung stehende Wissen besser als die weitverbreitete Praxis der offenen Diskussion. Ich sammelte die Schätzwerte ein und schrieb die Ergebnisse an die Tafel. Die Punkte konzentrierten sich dicht um den Zeitraum von zwei Jahren; das untere Ende lag bei anderthalb, das obere bei zweieinhalb Jahren.
Dann hatte ich eine andere Idee. Ich wandte mich an Seymour, unseren Curriculum-Experten, und fragte ihn, ob ihm andere Teams einfielen, die ähnlich wie wir ein völlig neues Curriculum erarbeitet hatten. Damals waren gerade mehrere pädagogische Innovationen wie die »Neue Mathematik« eingeführt worden, und Seymour sagte, ihm fielen etliche ein. Dann fragte ich, ob er
Genaueres über die Geschichte dieser Teams wisse, und es stellte sich heraus, dass er einige persönlich kannte. Ich bat ihn, sich vorzustellen, diese Teams seien genauso weit wie wir. Wie lange bräuchten sie dann noch, um ihre Lehrbuchprojekte abzuschließen?
Er verstummte. Als er die Sprache endlich wiederfand, schien er zu erröten, durch seine eigene Antwort in Verlegenheit gebracht: »Wissen Sie, bislang hatte ich das noch gar nicht bemerkt, aber tatsächlich haben nicht alle Teams, die sich in einem ähnlichen Stadium wie wir befanden, ihre Vorhaben je zu Ende geführt. Ein erheblicher Prozentsatz der Teams hat das Projekt abgebrochen.«
Dies war beunruhigend; wir hatten nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, zu scheitern. Mit wachsender Besorgnis fragte ich, wie hoch er diesen Prozentsatz schätze. »Etwa 40 Prozent«, antwortete er. Jetzt senkte sich ein Schleier der Düsternis über den Raum. Die nächste Frage lag auf der Hand: »Wie lange brauchten diejenigen, die durchhielten?« Er antwortete: »Mir fällt keine Gruppe ein, die in weniger als sieben Jahren fertig war, und keine, die länger als zehn Jahre brauchte.«
Ich griff nach dem Strohhalm: »Wenn Sie unsere Fähigkeiten und Ressourcen mit denen der anderen Gruppen vergleichen, wie gut sind wir dann? Wie schätzen Sie uns im Vergleich zu diesen Teams ein?« Diesmal zögerte Seymour nicht lange. »Wir sind unterdurchschnittlich«, sagte er, »aber nur ein bisschen.« Dies war für uns alle eine große Überraschung – auch Seymour selbst, dessen vorangehende Schätzung ganz klar innerhalb des optimistischen Gruppenkonsenses gelegen hatte. Erst als ich ihn dazu aufforderte, stellte er eine mentale Verbindung
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