Schnitt: Psychothriller
die Zentralverriegelung von innen zu öffnen, ist zerstört.
Noch einmal streift die Beamten ein grelles Licht, als der BMW ausschert und die StraÃe hinunterfährt, dann ist es dunkel vor der Boutique.
Liz schafft es kaum, den nackten Fuà auf dem Gaspedal ruhig zu halten. Die Schmerzen im Unterleib kommen in regelmäÃigen Abständen. Verflucht, sind das Wehen? Ich bin doch noch nicht mal im fünften Monat! Ihr steigen Tränen in die Augen. Gabriel schieÃt ihr in den Sinn. Sie würde alles dafür geben, wenn er jetzt hier wäre.
Instinktiv lenkt sie den Wagen aus Wassen heraus, zurück in Richtung Andermatt. Dort wird sie die Polizei am wenigsten vermuten. Und mit etwas Glück und einem neuen Outfit wird sie am Morgen im Bahnhof Andermatt unerkannt in die Gotthardbahn steigen können.
Kurz vor Andermatt nimmt sie einen schmalen Waldweg, der an einem Felshang endet. Sie parkt den Wagen in der Dunkelheit, zwischen den Bäumen. Sie denkt nicht eine Sekunde daran, dass sie Angst haben müsste, sie fühlt sich wie im Vollrausch. Als sie aus dem BMW aussteigt, sacken ihr die Beine weg. Schwer atmend bleibt sie liegen, ein Ohr auf dem kühlen, mit Moos und Gras bewachsenen Boden, saugt den erdigen Geruch in sich hinein und hält ihren drückenden Bauch.
»Ich weià nicht, ob du mich hören kannst«, flüstert sie, »und wie groà auch immer du jetzt bist ⦠Aber lass mich jetzt nicht allein, bitte!«
Tränen laufen ihr über die Nase bis hinab zu den Lippen. Der salzige Geschmack lenkt sie ein wenig ab, und sie setzt sich auf. Langsam schält sie sich aus dem schwarzen Kleid, kriecht nackt zum Wagen und wühlt in den Kleiderstapeln auf dem Rücksitz. Die Innenbeleuchtung ist miserabel, und die Tränen in den Augen machen es Liz fast unmöglich, die KonfektionsgröÃen zu erkennen. Als sie endlich angezogen ist, kraucht sie auf den Fahrersitz, verriegelt die Tür und fährt den elektrischen Sitz in eine bequeme Liegeposition.
Dann schaltet sie das Licht aus.
Die Dunkelheit ist ein Schock, für einen Moment glaubt sie, wieder in ihrer Zelle zu sein, bis ihre Augen sich an die Finsternis gewöhnt haben und die Bäume sich vor dem nachtblauen Himmel abzeichnen. Sie sieht, dass ein leichter Wind geht, und öffnet die Fenster einen Spaltbreit. Das Rauschen der Bäume trägt sie wie auf Händen. In ihrem Unterleib drückt und zieht es, als wollte das Kind gegen den ganzen Wahnsinn protestieren.
»Bleib bei mir«, murmelt sie und streichelt über ihren Bauch. »Bitte!«
Die Bäume um sie herum sind wie in einem Park, in dessen Mitte von Braunsfelds alte Villa steht. In ihren Gedanken betritt sie das Gebäude noch einmal. Nie hätte sie gedacht, dass es hier so einsam ist. Ein einsames Schloss mit einsamen Möbeln und Bildern, das einzig Lebendige ist das Kratzen von Hundepfoten auf dem schwarzbraunen Mooreichenparkett und das lodernde Feuer im Kamin.
Der Kamin.
Ihre Hand erstarrt mitten in der sanften Streichelbewegung. Ihr Herz beginnt, wild zu schlagen. Zuerst ist sie vollkommen sicher, doch dann kommen die Zweifel.
Es ist eine Weile her. Vielleicht täuschst du dich â¦
Kapitel 44
Berlin, 27. September, 05:19 Uhr
Gabriel steht am offenen Fenster, seine Hände ruhen auf dem kühlen Geländer, und er starrt in den immer noch dunklen Himmel über Berlin. Der Fernsehturm schwebt über allem. Rotorblätter schlagen leise, ein Helikopter summt an ihm vorbei wie eine Hornisse auf einer allzu geraden Flugbahn.
Er kann immer noch nicht fassen, was ein paar Stunden zuvor passiert ist. Sein Blick wandert in die Küche, wo die grünen Ziffern am Herd frei zu schweben scheinen. 05:19 Uhr.
Gabriel hat das Gefühl, alles hängt im luftleeren Raum, die Erinnerungen sind wie Bilder auf Glasscheiben, mit so viel Platz dazwischen, dass mehr als ein ganzes Leben hineinpasst.
»Hast du überhaupt nicht geschlafen?« Davids Stimme kommt aus dem Flur. Er steht in der Schlafzimmertür, das Gesicht immer noch grau, die blonden Haare zerwühlt, um die Fleischwunde an seinem Oberschenkel ist ein dicker, notdürftiger Verband gewickelt.
»Eine Stunde, vielleicht zwei«, sagt Gabriel. Eigentlich hat er gar nicht geschlafen.
»Du siehst aus wie eine Leiche.«
»Spar dir dein Mitleid.«
»Schon gut, schon gut«, sagt David.
Nachdem Sarkov die Wohnung
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