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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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verschwindest, und dann verschwindest du auch. Weil es nämlich deine einzige Chance ist, nicht im Knast zu landen, klar?«
    Gabriel presst die Zähne aufeinander. »Ich kann hier nicht weg. Auf keinen Fall. Nicht jetzt.«
    Sarkov starrt ihn fassungslos an. »Haben die Bullen dir ins Gehirn geschissen? Was soll dann das ganze Gequatsche hier? Was willst du?«
    Â»Damals«, sagt Gabriel leise, »als du meine Vormundschaft beantragt hast, da haben die dir doch Akteneinsicht gegeben, oder? Ich meine, in meine Behandlungsakte.«
    Sarkovs Augen werden schmal. »Ich versteh die Frage nicht.«
    Â»Ich … ich muss ein paar Dinge wissen. Über die Nacht, in der meine Eltern gestorben sind. Ich dachte, wenn du die Akte gelesen hast, vielleicht …«
    Sarkov mustert ihn, als hätte er jetzt endgültig den Verstand verloren. »Also, ich fasse das noch mal zusammen, ja? Du wirst verhaftet, weil du angeblich jemandem die Kehle aufgeschlitzt hast. Dann nimmst du einen Psychiater als Geisel, türmst aus dem Knast, die Polizei der ganzen verdammten Stadt sucht nach dir, und du, du hast nichts Besseres zu tun, als über deine beschissene Vergangenheit nachzugrübeln?«
    Â»Es ist wichtig«, beharrt Gabriel. »Hast du sie gelesen?«
    Sarkov sieht ihn aus schmalen Augen an, dann schüttelt er den Kopf. »Nein«, sagt er brüsk.
    Â»Weißt du, wie ich an die Akte herankommen kann?«
    Schweigend sieht Sarkov auf seine Finger.
    Â»Ist sie noch in der Conradshöhe?«
    Â»Nein.«
    Â»Woher weißt du das?«
    Â»Sie haben mir damals die Akte ausgehändigt.«
    Gabriels Herz macht einen Satz. Hoffnung und Furcht keimen zugleich in ihm auf. »Alles? Mit allen Befunden, Gesprächsprotokollen und dem ganzen Zeug?«
    Â»Warum fragst du? Das hat dich doch bisher nicht interessiert.«
    Â»Jetzt interessiert es mich aber«, sagt Gabriel und kann nur mühsam seine Erregung verbergen.
    Sarkov lehnt sich vor, stützt seine Ellenbogen auf den Schreibtisch und faltet die Hände. »Ich kann sie dir nicht geben. Und ich will, dass du verschwindest. Jetzt sofort. Nach Moskau. Das ist mein letztes Angebot.«
    Â»Okay«, sagt Gabriel gedehnt. »Dann gib mir meine Akte, und ich verschwinde.«
    Sarkovs Gesicht verschließt sich wie eine Auster. »Es gibt keine Akte.«
    Â»Was soll das jetzt wieder heißen?«
    Â»Das, was ich sage. Es gibt keine Akte mehr. Ich hab den Mist weggeworfen.«
    Weggeworfen. Gabriel braucht einen Moment, bis ihm klarwird, was Sarkov da eben gesagt hat. Weggeworfen. Sarkov hatte den Schlüssel zu seiner Erinnerung in der Hand gehabt und damit auch den Schlüssel zu Liz’ Gefängnis – und ihn weggeworfen? Ungläubig starrt er ihn an. »Du lügst«, sagt er leise.
    Sarkov schüttelt den Kopf. »Warum sollte ich?«
    Gabriels Blick wandert durch den Raum und bleibt an dem großen mattsilbernen Safe hängen, der links von Sarkovs Schreibtisch steht, direkt neben dem kleinen Schlüsselsafe. »Sie ist da drinnen, oder?«
    Wieder schüttelt Sarkov den Kopf.
    Â»Das … ist meine Akte, verdammt! Das ist mein Leben!«, sagt Gabriel hitzig.
    Â»Dein Leben?«, wiederholt Sarkov spöttisch. »Ohne mich hättest du überhaupt kein Leben. Und jetzt jammerst du hier rum, wegen ein paar verstaubten Papieren? Lass mich in Frieden mit deiner Scheißakte, pack deine Sachen und verpiss dich nach Moskau, bevor du alles noch schlimmer machst.«
    Gabriel krallt in ohnmächtiger Wut seine Hände um die Stuhllehne.
    Â»Gabriel …« Sarkov sieht ihn lange an, dann seufzt er. »Ehrlich. Ich hab den Kram nicht mehr. Lass mich dir doch helfen.«
    Gabriel schafft es nicht, den Blick vom Safe zu lösen. Irgendetwas in seinem Hinterkopf sagt ihm, dass es ein furchtbarer Fehler ist, aber ein Fehler, den er jetzt begehen muss, weil er nichts mehr braucht als diese verdammte Akte. Als er aufsteht, hat er das Gefühl, zentnerschwer zu sein. Er nickt, so wie er immer genickt hat, wenn Yuri etwas ernsthaft von ihm gefordert hat. Er dreht sich um, zur Tür, macht einen halben Schritt, und dann springt er.
    Sarkovs Reaktion kommt viel zu spät.
    Gabriels Hände packen seinen Kopf und seinen Hals. Es fühlt sich falsch an und trotzdem richtig. Die Wirbel unter Yuris dünner Haut knacken. Noch etwas mehr, und …
    Â»Noch etwas mehr, und du

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