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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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bist tot«, flüstert Gabriel in Sarkovs Ohr. »Und jetzt mach mir den Safe auf.«
    Â»Du bist ein verdammter Idiot«, haucht Sarkov.
    Â» AUFMACHEN !«
    Gabriel drückt Sarkov an den klobigen, fast mannsgroßen Safe. Er starrt auf die dünnen Finger, Yuris Finger, die ihm vertrauter sind als alle anderen Finger, wie sie die Kombination in das Tastaturfeld eingeben.
    Â»Schneller«, zischt Gabriel.
    Â»Das wird dir nichts helfen.«
    Er lügt!, hämmert es in Gabriels Kopf.
    Luke, was machst du da?
    Halt die Fresse, das geht dich nichts an!
    Als die Safetür aufschwingt, starrt er ins Innere. Ein beträchtlicher Stapel Bargeld lacht ihn an, mehrere Aktenordner und ein paar Umschläge. Er überfliegt die Aufschriften. Nichts.
    Â»Hol das Zeug raus, zeig’s mir«, faucht er.
    Sarkov stöhnt unter Gabriels Griff, klappt die Ordner auf, holt die Umschläge heraus, Stück für Stück.
    Nichts.
    Das kann nicht sein, hämmert es in Gabriels Kopf. Seine Hände krallen sich in Sarkovs Hals. Das kann nicht wahr sein!
    Er starrt in den offenen Safe wie in eine leere schwarze Grube. Eine Grube mit einem mattsilbernen Rand, in dem sich etwas spiegelt, schemenhaft, hinter ihm. Etwas, das aussieht wie ein Mann mit erhobener Hand.
    Er versucht noch, den Kopf wegzudrehen, aber schon im selben Moment donnert etwas auf seinen Schädel, rutscht ab und knallt auf seine rechte Schulter. Der Schmerz ist ein einziger großer Feuerstoß. Er lässt Sarkov los, taumelt, fällt auf die Knie und kann nicht fassen, dass er trotz der Schmerzen noch nicht bewusstlos ist.
    Â»Verdammtes Arschloch«, hört er Cogans Stimme hinter sich. Cogan , denkt Gabriel verblüfft, Cogan, bei dem er noch ein oder zwei guthat!
    Sarkov schnappt nach Luft. »Ist das der Dank, verflucht?«, fragt er, an Gabriel gewandt. »Und das alles wegen deiner Scheißakte?« Seine Stimme klingt fremd und unendlich weit weg. »Glaubst du ernsthaft, damit mach ich mir den Safe voll?«
    Gabriel starrt benommen empor. Yuri ist ein Riese, denkt er wirr.
    Der Riese beugt sich zu ihm hinunter und zischt: »Ich hab das Zeug nicht, klar?«
    Gabriel öffnet den Mund, aber er bringt kein Wort heraus. Ihm ist übel, vielleicht vor Scham, weil er gedacht hat, Yuri belügt ihn und die Akte ist im Safe. Vielleicht auch einfach nur wegen der Schmerzen. Für einen kurzen Moment denkt er, ob es gut wäre, um Verzeihung zu bitten, damit er nicht auch noch Yuri verliert. Aber er sieht Yuri an, dass er ihm das nicht verzeihen wird. Und eigentlich weiß Gabriel auch nicht, wie das geht: um Verzeihung bitten.
    Dann trifft ihn der zweite Schlag, seitlich, am Hals. Wieder von hinten. Wieder Cogan. Augenblicklich fällt Gabriels Blutdruck. Die Welt um ihn herum verlischt wie ein Scheinwerfer, sein Körper schaltet auf Notversorgung für die wichtigsten Organe um. Seine Muskeln verlieren jede Spannung, und noch bevor sein Kopf auf dem Boden aufschlägt, ist alles schwarz wie in einem Grab.

Kapitel 26
    Berlin – 4. September, 16:09 Uhr
    Gabriels Augen zucken unter den geschlossenen Lidern. Direkt vor seinen nackten Zehen führt eine frei im Raum schwebende Treppe in den Abgrund. Die Stufen sind wie aus Papier gefaltet, ohne Stützen, ohne Geländer und verlieren sich in der Tiefe. Das ist nur ein Traum, denkt er, um seine Angst zu zügeln.
    Er weiß, dass er die Treppe hinabmuss, in die Tiefe, um es zu holen – doch er weiß nicht, wo es ist.
    Schritt für Schritt steigt er abwärts. Seine Zehen sind kalt, wegen der Stufen aus Stahl. Die Zeiger seiner Armbanduhr drehen durch, während er immer weiter geht, auf das Ende der Treppe zu, wo eine fadendünne rote Spalte ins Endlose wächst. Passagierflugzeuge donnern über seinen Kopf, dröhnend wie Laster. Er würde gerne mitfliegen, aber er kann nicht. Er muss das Buch holen. Das Buch, in dem jemand seine Träume aufgeschrieben hat, auch die, an die er sich nicht mehr erinnern kann.
    Am Fuß der Treppe bleibt er stehen, vor einem himmelhohen schwarzen Vorhang, der unter der Decke befestigt ist und bis zu seinen Füßen reicht. Zwischen den Vorhanghälften ein Spalt Licht. Rot und verführerisch und sündig. Irgendwo hier muss es sein, das Buch.
    Als er den Vorhang bewegt, muss er alle Kraft aufwenden. Er stemmt sich gegen das Ungetüm aus Stoff, das jedes Geräusch verschluckt, selbst sein

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