Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schnittmuster

Titel: Schnittmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Slater Sean
Vom Netzwerk:
der Gestank von ihm selbst stammte.
    Er verfaulte bei lebendigem Leib.
    Und das alles wegen gwailo. Dem weißen Teufel.
    Â»Ahhh!«, seufzte der alte Mann. Auf zittrigen Beinen stand er auf, schlurfte zum Waschbecken, wo er mit irgendwelchen Substanzen hantierte, die Rotmaske verborgen blieben. Als er sich umdrehte, hielt er ein großes Tuch in den Händen, das mit einer orangeroten Flüssigkeit getränkt war, die von der Farbe her Ähnlichkeit mit Jodtinktur aufwies. In die Mitte des Lappens hatte er ein Loch geschnitten. Er legte die Stelle mit dem Loch genau auf die Wunde in Rotmaskes Schulter.
    Die kalte Kompresse jagte Rotmaske eine Gänsehaut über den Rücken, er zitterte unkontrolliert. Als der alte Mann fester zudrückte, begann er zu schreien. Eine zähe, gelbe Flüssigkeit drang aus der Wunde, und der Schmerz brachte ihn fast um.
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Sie ist noch da drin.«
    Â»Schneiden Kugel raus.«
    Â»Das wird sehr, sehr wehtun.«
    Was er sagte, bekam Rotmaske nur am Rande mit. Er konzentrierte sich angestrengt auf den Fernseher – soeben flimmerte ein Bild des Cops über den Bildschirm – des weißen Teufels, der ihn hartnäckig verfolgt hatte. Die Nachrichten verkündeten, dass dieser Mann getötet hatte, um das Leben von Schulkindern zu retten. Er war eine Legende. Ein Held.
    Bei dem Anblick begann Rotmaske zu schaudern, dass es den Tisch erschütterte.
    Der alte Mann wusch sich an dem Waschbecken die Hände. Er kehrte zu dem Verletzten zurück und schob ein Tablett mit bizarr geformten Stahlinstrumenten neben ihn auf den Tisch.
    Rotmaske blendete seine höllisch schmerzende Schulter aus sowie die mörderisch aussehenden Instrumente auf dem Tablett. Verfolgte Detective Jacob Striker – den Cop, der schon zwei Mal haarscharf daran gewesen war, ihn umzulegen; den Cop, der die Erfüllung seiner Mission bisher vereitelt hatte; den Cop, der ihm das Liebste genommen und ein Leben voller Erwartungen und Sehnsüchte zerstört hatte.
    Ihre Wege würden sich erneut kreuzen. Rotmaske wusste es. Es war unvermeidlich.
    Â»Sind Sie bereit?«, fragte der Alte.
    Rotmaske nickte, Sekunden später begann er hysterisch und wie im Todeskampf zu schreien.

Freitag

56
    Edward Rundells Haus hatte mehr gekostet, als die meisten Leute in ihrem ganzen Leben verdienten. Über der Bachelor Bay von West Vancouver gelegen, überblickte das Anwesen mäandernde Wasserstraßen und winzige Eilande. Den spektakulärsten Blick hatte man von der Suite des Hausherrn aus, die sich hoch über der Bay erstreckte auf einem zerklüfteten Felsvorsprung, der sechzig Meter tief ins Meer abfiel, umtost von wilden Wellen mit gischtsprühenden Schaumkronen. Gefährlich und schön.
    Der Mann mit dem Bambuskreuz nahm davon keine Notiz. Er stand im Schlafzimmer des Hausherrn: ein Raum mit Kuppeldecke, in die drei bunt verglaste Oberlichter eingelassen waren, zwei Ventilatoren drehten sich leise, unter dem Stäbchenparkett aus heller Eiche und dunklem Walnussholz befand sich eine Fußbodenheizung.
    Der Mann mit dem Bambuskreuz schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit und zündete sich eine Zigarette an. Marlboro, ohne Filter. Stark für sein Land, aber schwach verglichen mit dem Kraut, das in Macau geraucht wurde. Der Rauch schmeckte würzig auf den Lippen, und der Geruch überlagerte alles andere. Sogar den Gestank des Blutes.
    Â»Huh …hu …hu …hu …« Edward Rundell winselte leise, kaum hörbar, auf dem blutgetränkten Laken.
    Der Mann mit dem Bambuskreuz ignorierte ihn und rauchte seelenruhig weiter, seine Augen dunkel und kalt. Wie schwarzer Marmor. Emotionslos.
    In seiner linken Hand hielt er einen Käsehobel, wie sie in der Industrie verwendet werden, die Reibe gut und gern dreißig Zentimeter lang. Der Stahl glänzte dunkel und speckig von dem braunschwarzen Blut. Die Löcher der Reibe waren mit fleischig roten Gewebeklumpen verklebt. Das Meiste stammte von Edward Rundells Rücken und den Außenseiten seiner Extremitäten – Körperregionen, durch die keine Hauptarterien verliefen. Präzision war der kritische Punkt bei dieser Art von Folter.
    Starb Edward zu schnell, wären die Auftraggeber gar nicht glücklich. Extreme Formen der Gewaltanwendung lautete deren Devise.
    Rundell hatte über vier Stunden lang durchgehalten. Er lag flach auf dem Bett, sein

Weitere Kostenlose Bücher