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Schnittmuster

Titel: Schnittmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Slater Sean
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Richtung hob sie an: »Sie ist etwa eineinhalb Zentimeter im Durchmesser und fast kreisrund, mal abgesehen von dem in Mitleidenschaft gezogenen Hautgewebe. Trotzdem ist sie relativ sauber, mit glatten Wundrändern.«
    Â»Klingt das für dich nach Hohlspitzmunition?«
    Sie überlegte. »Nö, eigentlich nicht, aber ich bezweifle, dass die Pathologin …«
    Â»Angesichts der überdurchschnittlich hohen Mordrate in den letzten zwei Tagen hat sie vermutlich noch weniger Schlaf bekommen als wir. Ihre Untersuchung basiert auf der Annahme , dass es sich bei beiden Projektilen um Hohlspitzmunition handelte. Aber das stimmt nicht.«
    Felicia sah sich die Wunde an und bemerkte: »Das würde jedenfalls erklären, wieso die Kugelfragmente kaum innere Gewebeverletzungen hinterließen.«
    Â»Weil es keine Fragmente gab.«
    Â»Aber das macht keinen Sinn.«
    Â»Oh doch, das macht durchaus Sinn. Sherman Chan wurde in den Rücken geschossen – mit einer Stahlmantelkugel. Sie haben ihn erschossen, Felicia.«
55
    Â»Freut mich, dass Sie Sheung Fa kennen«, sagte der alte Mann. »Es ist gut, ihn zu kennen. Aber diese Wunde … die Infektion ist sehr schlimm.« Er sprach leise und mit einem gewissen Nachdruck.
    Wie durch dichten Nebel hindurch drangen die Worte in Rotmaskes Bewusstsein, zumal er immer wieder ohnmächtig wurde. Er öffnete die Lider und sah sich im Zimmer um. Sein Blick erfasste zig Regale, jedes mit Tiegeln und Gläsern in unterschiedlichen Größen und Formen bestückt. Gefüllt mit getrockneten Blüten, Wurzeln, Kräutern, Fetten, präparierten Geschöpfen und anderen Abstrusitäten, die er nicht einmal zu benennen wusste.
    Â»Sehr schlimm«, wiederholte der Alte. »Kann sein, dass der Arm amputiert werden muss.«
    Rotmaske schwieg. Er senkte den Blick von den Tiegeln auf den Boden und von dort zu einem alten Fernseher, der in einer Ecke des Raums stand. Auf den ersten Blick mutete das Teil wie die Komponente einer Videoüberwachungsanlage an, schwarzweiß und streifig, aber dann wurde das Logo BCTV News eingeblendet, und Rotmaske begriff, dass es sich bei dem Trumm um ein uraltes Fernsehgerät handelte.
    Die Spätnachrichten flimmerten über den Bildschirm: das St.-Patrick’s-Massaker .
    Wenn er den Kopf in diese Richtung reckte, schmerzte sein Genick höllisch. Außerdem hatte er genug gesehen.
    Â»Kugel … Schulter …«, murmelte er.
    Â»Ruhig, ruhig, entspannen Sie sich«, beschwichtigte der Alte.
    Rotmaske konzentrierte sich auf den alten Mann, der neben ihn getreten war. Er war dünn, seine Gesichtshaut unnatürlich blass. Als wäre er lange krank gewesen. Als käme er ebenfalls aus den Camps.
    Â»Das Blut ist tot.« Der Alte deutete mit einem langen braunen Fingernagel auf Rotmaskes Schulter, um dann mit dem Nagel vorsichtig an dem Wundrand herumzukratzen.
    Rotmaske zuckte bei der Berührung zusammen, sein Körper begann, unkontrolliert zu zittern.
    Â»Schlechtes Blut. Totes Blut. Es muss weg.«
    Rotmaske schüttelte den Kopf. »Nein, nicht … möglich.«
    Â»Es muss sein.«
    Â»Nein! Ich nicht … vollendet.«
    Die Augen des Alten tasteten den Raum ab, als könnte er Dinge wahrnehmen, die anderen verborgen blieben. Nach langem Zögern kehrte er an seinen Schreibtisch zurück, der an der Längsseite des Zimmers stand, dahinter weitere Regale mit Tiegeln. Er setzte sich und las und führte dabei Selbstgespräche in einem Dialekt, den Rotmaske nicht kannte. Für ihn klang es eher wie das Glucken von Hühnerküken.
    Rotmaske hob ein paar Sekunden lang den Kopf vom Tisch und beobachtete den alten Mann, bis seine Schulter dermaßen schmerzte, dass er es aufgab. Sein Kopf sank auf den Holztisch zurück. Er rührte sich nicht mehr. Sein Körper fühlte sich bleischwer und greisenhaft alt an.
    Â»Ich muss gehen«, murmelte er apathisch.
    Der Alte lachte. »Haben Sie es so eilig, ins Grab zu kommen?«
    Rotmaske blieb ihm eine Antwort schuldig. Seine Augen streiften den Raum. An der Wand hingen mehrere Gebetsbänder. Für die Gesundheit. Für Harmonie. Für Wohlstand. Er murmelte sie laut, während er die Ursache für den grässlichen Gestank auszumachen versuchte, der alles andere im Raum überlagerte – selbst den durchdringenden Geruch der Ingwerwurzeln. Er brauchte mehrere Minuten, um zu realisieren, dass

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