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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Atmosphäre nicht gut zu ertragen. Ich nehme mir vor, möglichst wenig zu sagen, damit es erst gar nicht zu einer Auseinandersetzung kommt. Karl und Carina sind ja auch noch da. Gott sei Dank. Aber Meike hat es auf mich abgesehen und macht eine spitze Bemerkung nach der anderen. Nicht aufregen, nicht provozieren lassen, ermahne ich mich insgeheim und konzentriere mich auf die ungewohnte Strecke und die Sicht, denn es ist bereits dunkel. Ich bin nach dem langen Tag müde.
    »Na, Mama, bist du jetzt zufrieden? Morgen kannst du dann ja mit reinem Gewissen nach Hause fahren. Wieso adoptierst du eigentlich nicht Carina?«
    Ich schweige abermals betreten. Karl legt beruhigend die Hand auf mein Bein.
    »Was ist? Warum sagst du nichts?« Meikes Ton ist wesentlich herausfordernder, als die Worte, die sie benutzt.
    Ich räuspere mich. »Ich weiß nicht, was du von mir willst«, bringe ich heraus.
    »Und, heulst du jetzt?«
    Nun räuspert sich Carina. »Das find ich jetzt aber auch nicht gut, Meike.«
    Meike erwidert nichts darauf. Wir fahren schweigend zur Klinik. Als wir auf dem Parkplatz halten, springt Meike aus dem Auto.
    »Tschüss!«, ruft sie kühl und geht.
    »Gute Nacht«, sagt Carina und trottet ihr verlegen hinterher.
    Als Karl und ich zum Gasthof gehen, schlagen mir vor Kälte die Zähne aufeinander.
    »Ich versteh das nicht«, sagt Karl hilflos.
    Ich möchte nur hinauf aufs Zimmer. Ich fühle mich müde und leer. »Warum?«, schreie ich in mein Kissen und heule, bis meine Augen brennen.
    »Ich weiß nicht.« Karl kann mir nicht helfen. Irgendwann schlafen wir ein.
    Meike
    Ich hasse einfach. Ich hasse oft alles und jeden. Meine Mutter hat es heute wieder zu spüren bekommen. Im Nachhinein tut es mir leid, wie ich mit ihr rede, aber in dem Moment kann ich nicht anders, es muss raus. Ich fühle mich im Recht, ich fühle mich ungerecht behandelt und wehre mich bloß. Das ist in Ordnung, finde ich. Es tut gut zu zeigen, dass man sich nichts vormachen lässt. Dieses ganze Heile-Welt-Getue, dieses »Ach, dann gehen wir ins Kino und machen einmal etwas Schönes«, und dann soll alles wieder gut sein? Das ist abartig.
    »Komm, Meike, wir vertuschen einfach, dass das Leben und die Welt scheiße sind. Wir vertuschen, dass du scheiße bist.« Als ob meine Mutter das sagen würde, so kommt es mir vor. Wie eine riesengroße Verschleierungsaktion über den Fehler meiner Existenz. Ich will aber nicht verschleiern, dass ich nicht da sein sollte, dass ich nicht verdient habe zu leben und dass auch der Rest der Menschheit das Leben nicht verdient hat. Ich will nicht tun, als sei alles gut, nicht einmal für einen Augenblick, denn das ist so verlogen. Und immer wieder zieht vor allem meine Mutter mich mitten in dieses Theaterstück einer heilen Welt hinein. Und das macht mich wütend. Sie weiß genau, wie es wirklich ist, und trotzdem hält sie diese Maskerade aufrecht, das ist einfach nur zum Kotzen! Wie oft muss ich ihr ins Gesicht sagen, dass die Welt scheiße ist, wie oft muss ich ihr zeigen, dass es mir scheiße geht und dass ich weiß, dass das Leben einfach unnütz ist? Bis sie diese Maskerade fallen lässt und sich endlich auf meine Seite stellt?
    Meikes Tagebuch
    Wieder mal Hass. Langsam steigert er sich, unaufhaltsam, gierend nach Erlebnissen, die ihn wachsen lassen.
    In der Einöde toter Gefühle breitet er sich ungestört aus, durchzieht alles, zerstört alles. Hass, der sich durch die Umgebung frisst, sich ausbreitet wie ein schwarzes Loch. Fliehen kannst du, bis zur Erschöpfung, brichst zusammen, kraftlos, haltlos, besiegt.
    Die Sinnigkeit der Flucht verliert sich in der Tiefe der Schwärze, wird umschlossen, vergessen, stirbt.
    Wiederholungen. Zweifel an der Welt, Begriffsstutzigkeit, Unverständnis.
    Alles geht, alles vergeht. Nur das was Hass erweckt, bleibt, bleibt für immer, beißt sich fest, zerreißt, tötet. Scharfe Zähne schneiden in die Haut, du schreist, doch bleibst stumm, denn du weißt, dich hört niemand, alle sind gegangen, ließen dich zurück, allein, allein mit der Bestie, die du nicht besiegen kannst.
    Blut rinnt die Arme entlang, du kümmerst dich nicht, denn niemand ist da, der dich sieht.
    Blut tropft, doch fällt es nicht zu Boden, es fällt in die Tiefe, wie du, ohne Halt, bodenlos.
    Anja
    Am nächsten Morgen geht es mir besser. Natürlich fühle ich mich immer noch hilflos Meikes Angriffen gegenüber, aber jetzt bin ich wenigstens ausgeschlafen. Wir frühstücken in Ruhe. Um elf Uhr ist ein

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