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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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in der offenen Haustür und schaut zu. Ich gehe zu ihnen hinüber.
    »Entschuldigung? Wissen Sie, ob das der einzige Bus ist, der hier fährt?« Ich zeige auf die Haltestelle. »Fährt der gar nicht nach Cham?«
    »Ja … das ist der einzige Bus, der hier fährt«, antwortet der Mann, nachdem er sich umgedreht hat und darüber erstaunt zu sein scheint, dass ihn um diese Uhrzeit jemand auf der Straße anspricht. »Der fährt nicht nach Cham, das ist die andere Richtung. Eine Bushaltestelle in diese Richtung kommt erst wieder ein ganzes Stück da runter«, ergänzt seine Frau freundlich und deutet in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Hallo? Das kann doch jetzt nicht wahr sein? Ich bin zwei elende Stunden in die falsche Richtung gelaufen?! Wie doof von mir. Aber mein Gott, ich mach mir nichts draus, mit Busplänen hatte ich es noch nie. Auch in Köln nicht. Die sind ganz anders als Bahnpläne und ich steige da nun mal nicht durch, ich mag auch Busse nicht so gern, die sind nie pünktlich. Nach kurzer Zeit frage ich, ob der Mann vielleicht in die Richtung fährt, schließlich sieht es so aus, als packe er gerade sein Auto. Er bestätigt meine Annahme und will mich das Stück bis nach Cham mitnehmen, mit dem Auto sei das nicht so weit. Klar fahre ich mit. Ich bin genug gelaufen. Kalt und nervig und irgendwie öde, diese Lauferei. Und die Herrschaften scheinen nicht gerade irgendwelche perversen Kindermörder zu sein, auch wenn man das den Menschen vermutlich gar nicht ansieht. Nein, ich denke, dass die eher mich unheimlich finden. Abgesehen davon, schätze ich, würde ich mit einigem fertig. Manchmal habe ich richtig den Wunsch danach, dass mir jemand etwas Böses will, damit ich einen Grund habe, demjenigen etwas anzutun. Aus Notwehr. Irgendwen töten und dafür dann nicht ins Gefängnis müssen … Jetzt muss das aber nicht sein, jetzt will ich einfach nur nach Cham. Der ältere Herr ist während der Fahrt nicht sehr gesprächig. Und die Fahrt dauert auch nicht so lange, wie ich angenommen hatte, ich bin wohl sehr langsam gegangen.
    Ich bin in Cham und finde, dass es nun erst einmal Zeit für eine Zigarette ist. Ich überlege, wie man das in den Filmen inszeniert, wenn Zeit für eine Zigarette ist. Man stellt sich lässig an eine Mauer, kramt in seinen Sachen herum, kneift die Augen leicht zusammen, steckt sich die »Fluppe« zwischen die Lippen und zündet sie an, während man total desinteressiert und rebellisch wirkend die Augenbrauen zusammenzieht. Ich bemühe mich, das genauso hinzubekommen, scheitere aber. Macht ja nichts, ich muss das ja nicht können, ist sowieso die vorvorletzte Zigarette, die ich rauchen werde. Und abgesehen davon bin ich leider Gottes auch kein Kerl, da wirkt das Ganze sowieso schon weniger cool. Ich sehe mich in dem Ort um und laufe die Straßen ab, um rauszubekommen, wo der Bahnhof ist. Ein Bahnhof wäre nämlich wirklich gut. Da kann ich schauen, wohin ich von hier aus komme. Ich drücke die Zigarette aus. Höchstens zur Hälfte hab ich sie »gepafft«. Es schmeckt widerlich. So wie Bier, Zigaretten und Alkohol. Weiß der Teufel, warum so viele Leute Gefallen daran haben.
    Anja
    Ich komme aus der Schule nach Hause, wo mich Karl erwartet. »Hast du früher Schluss gemacht?«, frage ich erfreut, aber sein Gesicht sagt mir sofort, dass er eine schlechte Nachricht hat.
    »Ich wollte dich nicht in der Schule anrufen, ich hatte Angst, du würdest sonst noch einen Unfall bauen …«
    »Was ist los?« Ich weiß gar nicht, was ich mir vorstellen soll. »Ist etwas mit Meike?«
    »Reg dich bitte nicht auf, es ist ja noch nichts passiert, aber sie ist aus der Klinik verschwunden … die Polizei hat mich in der Firma angerufen.«
    Mir verschlägt es die Sprache. Ich setze mich aufs Sofa. Ich habe es gewusst. Ich habe es beim Abschied gewusst. Meike war viel zu ausgeglichen. So als hätte sie in einer anderen Sphäre geschwebt. Was hat sie vor? Was macht sie?
    »Die Klinik hat es der Polizeidienststelle mitgeteilt. Als sie nicht zum Frühstück erschienen ist, haben sie noch gewartet, aber am Mittag haben sie es dann gemeldet.«
    »Zum Frühstück? Aber was hat sie denn seit heute früh gemacht, es ist doch eiskalt dort? Und sie wissen dann ja gar nicht, seit wann sie fort ist! Da muss es ja noch dunkel gewesen sein!« Ich versuche, mir vorzustellen, was Meike gerade macht. Ich bin auch öfter von zu Hause ausgerissen. Wenn es mir unerträglich war, im Klassenzimmer eingesperrt zu sein, während

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