Schnittstellen
beim Fußball, und manche seien dafür eben geeigneter als andere … Ich solle sie endlich in Ruhe lassen mit der Angelegenheit.«
Ich blicke Conny ungläubig an.
»Ich habe schon mal darüber nachgedacht, ob ich mit der Sache zum Anwalt gehen soll«, sagt sie leise, »aber eigentlich finde ich es dumm, wenn man private Auseinandersetzungen nicht selbst regeln kann.«
»Du hast vollkommen recht, wenn es sich um Lappalien handelt und die Parteien sich einsichtig zeigen. Aber das ist hier doch ganz und gar nicht der Fall«, sage ich aufgebracht. »Du musst etwas tun, das ist wichtig für Tobias und für Pascal! Die Idee mit dem Anwalt ist gut. Mache das!«
Conny schüttelt unsicher den Kopf. »Tobias wirkt, als hätte er jeden Lebensmut verloren.«
»Das ist doch klar! Bitte unternimm etwas, und nächstes Mal, wenn wir uns treffen, hast du das erledigt, versprich mir das!«
Wir umarmen uns. Conny versichert noch einmal, dass sie handeln wird. »Ich ruf dich an«, sage ich, und Conny wischt sich die Tränen aus den Augen und kann lächeln und sagt: »Jetzt unternehme ich bestimmt etwas.«
Meikes Tagebuch
Verhasst
Nun, ich habe beschlossen, ab heute, sofern es in meiner Macht steht, immer wieder Leute (Lehrer von meiner Schule) auszuwählen, die ich nicht leiden kann. Seien es Lehrer, die ich nicht ertragen, oder jene, die ich nur im Moment nicht leiden kann. Hier werden sie bald alle stehen.
Es ist der 9. November 2003, und am heutigen Tag wollen wir Frau K., meine Klassenlehrerin, zum »Hassobjekt« küren. So überreiche ich feierlich die Schärpe an Frau K., eine genauso unwissende Person wie schlechte Erdkunde- und Biologielehrerin. Mit ihrem überschäumenden Mutterinstinkt schwingt sie sich häufig dazu auf, anderen helfen zu wollen, dabei macht sie meist alles nur noch schlimmer. Ihre Söhne, so bemerke man, dürfen im Alter von siebzehn und vierzehn Jahren nicht einmal übers Wochenende allein zu Hause bleiben. (Wir werden den Jungs eine Mitleidskarte zukommen lassen.)
Frau K. ist sehr schlecht im Organisieren. Ihr Chaos schiebt sie meist anderen beteiligten Personen in die Schuhe. Frau K. ist eine unfähige Lehrerin, man fragt sich ständig, warum sie unterrichten darf, hat die Schule einen Mangel an Lehrern, dass man jeden Nächstbesten von der Straße aufliest?! Oder erweckte Frau K. Mitleid und verschaffte sich so diese Stelle!? Es wird sich wohl auch kein Schuldiger finden lassen, denn wer möchte für solch einen Fehler verantwortlich gemacht werden.
Zum Abschluss nur ein Gruß an unsere Klassenlehrerin Frau K. und viel Glück für sie, da sie von Komplexen besessen zu sein scheint, denen nicht einmal meine Wenigkeit ausgesetzt ist.
Meike
Menschen machen mich nervös. Meine Lehrer machen mich nervös. Meine Familie macht mich nervös, Verwandte machen mich nervös. Ich sitze in meinem Zimmer und könnte wahnsinnig werden. Ich muss die anderen weder sehen noch hören, es reicht, dass ich weiß, dass sie da sind, und ich bin angespannt. Ich will Zeit für mich. Ich will meine Ruhe. Ich will verdammt noch mal meine Ruhe. Ich will irgendwohin, wo niemand ist. Meinetwegen auch in eine Psychoklinik, in der man mich mit Medikamenten vollstopft, bis ich mir immerhin einbilden kann, absolut allein zu sein. Ich möchte weggebracht werden oder weggehen. Raus aus diesem, wie man so schön sagt, Taubenschlag. Dieser widerlichen lebhaften Wohnung, in der mir jeder, vor allem meine Mutter, verwehrt, für mich allein zu sein. Mich kotzt das alles an.
An meinem PC kann ich in eine andere Welt fliehen. In den Chats gibt es auch Menschen, klar, aber die sind eben nicht so beängstigend. Sie kennen mich nicht, ich kenne sie nicht, es gibt keinerlei Anlass, dass ich mir Gedanken darüber machen müsste, wie ich wirke.
Anja
Ich bin sehr beschäftigt. Mache ich zu viel? Aber es ist doch alles wichtig … Job … Zwischenmenschliches … Schreiben … Und daneben Meike im Auge behalten … Dabei bin ich ständig hin- und hergerissen zwischen der Anforderung an mich selbst, ihr einerseits zu vertrauen, ihr etwas zuzutrauen, sie darin zu bestärken, dass sie ihr Leben bewältigt, und andererseits der Angst, dass sie sich etwas antun könnte und ich es nicht verhindern kann. Sie isoliert sich, sie wirkt angespannt, ihre Haut ist weiß, ihre Hände kalt. Statt sich mit Freunden zu treffen und rauszugehen, sitzt sie meist nur noch vor dem Computer und chattet. Ist sie auf einer dieser Pro-Ana-Webseiten, auf denen
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