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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Ich hab aber keine. Und woher soll ich eine bekommen? Immer, wenn ein Polizist an mir vorbeigehen, denke ich, ich sollte versuchen, eine Waffe zu stehlen. Aber das wird nicht so einfach funktionieren. Und da ich meistens keinem Polizisten in einsamen Gassen begegne, in denen ich das Moment der Überraschung ausnutzen könnte, um ihn niederzuschlagen und ihm die Waffe zu rauben, bleibt die Wahrscheinlichkeit gering, dass ich mal eine Waffe haben werde. Wahrscheinlich würde ich mich auch gar nicht trauen, einen anderen Menschen zusammenzuschlagen. Nachher werde ich noch ausgelacht, weil ich es nicht geschafft habe. Das muss ja nicht sein.
    Anja
    Ich finde es tough von Meike, dass sie mit zur Weihnachtsfeier der Klasse geht, die für Schüler und Eltern veranstaltet wird, obwohl sie eine Abneigung gegen große Ansammlungen von Menschen hat. Einer der Väter führt eine Bistrokette und stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung, auch für Essen und Trinken ist gesorgt. Die Klinik hat anscheinend doch etwas gebracht. Bei Schülern und Eltern, mit denen wir von jeher mehr zu tun hatten, merkt man deutlich die Freude, dass wir dabei sind. Mir fällt auf, dass Conny wesentlich besser aussieht als bei unserem letzten Zusammentreffen, und tatsächlich, sie hat etwas unternommen. Pascals Familie musste Schmerzensgeld an Tobias zahlen. Tobias geht es seitdem wieder besser, und die Situation in seiner Klasse hat sich auch positiv verändert, was den Umgang miteinander betrifft. Conny und ich umarmen uns, diesmal vor Freude. »Dass ich dich damals getroffen habe«, meint sie noch, »nur weil du mir so zugeredet hast, habe ich das gemacht.« Ich glaube es nicht. Mein Einfluss auf andere Menschen überrascht mich immer wieder. Und ich denke, warum kann ich es für uns selbst nicht so gut einrichten? Warum liegen mir die Lösungen für meine eigenen Probleme nicht auf der Hand?
    Meikes Tagebuch
    Die Klasse
    Marco: Marco erfreut mich nun schon seit der siebten Klasse mit seiner Anwesenheit. Wir sitzen nicht nur in der Klasse nebeneinander, wir hatten auch das Glück, gemeinsam den Konfirmationsunterricht besuchen zu dürfen.
    Neben seiner zuweilen etwas herablassenden und eigenwilligen Art habe ich mit äußerster Überraschung festgestellt, dass man mit ihm durchaus bessere Gespräche führen kann als mit den meisten Menschen, die auf diesem Planeten vor sich hin vegetieren.
    Merkwürdiges: Selbst als es Marco gelang, sich durch seine miesen Mobbingaktionen bei Lehrern wie auch einigen Klassenkameraden und Eltern endgültig unbeliebt zu machen, bewahrte er Haltung, und die Sache schien/scheint ihn nicht wirklich zu stören. (Im Gegenteil, er wagte sogar, sich darüber zu amüsieren, was ihm bei weitem keine besseren Aussichten verspricht.) Marco kümmert sich also überdurchschnittlich wenig um das Gefasel anderer. Meine Hochachtung, der beste Weg zur Unabhängigkeit von unserer traurigen und ebenso peinlichen Gesellschaft.
    Wichtiges: Marco, zwischenzeitlich schien es nicht gerade so, als würden wir gut miteinander auskommen, ich hatte eher das Gefühl, du hättest mit der Zeit so etwas wie Hass und Abwertung gegen mich entwickelt. Da sich das, so wie ich es sehe, aber wieder gelegt hat, werde ich darauf auch nicht weiter eingehen. Ich hoffe nur, dass so etwas nicht noch mal vorkommt, da ich das doch ehrlich gesagt schade fände.
    Abschließend: Trotz unserer immer wiederkehrenden Meinungsverschiedenheiten, schaffen wir es doch sehr gut, miteinander auszukommen *wunder*. Also meine ich jetzt, dir befehlen zu können, auch nach deinem Schulwechsel dein dummes ICQ zu behalten.
    Viele Grüße also an dat Marco. ( hähähä, hrhrhr)!
    Anja
    Es ist neuerdings Mode unter den Schülern, ihr Tagebuch im Internet zu führen. Das heißt, statt in geheimen Briefchen steht jetzt schon mal auf ihrer Homepage, was sie voneinander halten. Das ist fatal, denn nicht nur die Eingeweihten, sondern alle Welt hat Zugang dazu. Und so brachte eine beleidigte Schülerin Marcos Worte zur Anklage: »Wenn Nadine einen IQ-Punkt weniger hätte, wäre sie dann eine Topfpflanze?« Meikes Klasselehrerin Frau K. führte nun regelrecht Prozess gegen Marco, der nicht unbedingt zu ihren Lieblingsschülern zählt, wie ich von Meike weiß. Die Angelegenheit war Tagesordnungspunkt der nächsten Klassenpflegschaftssitzung. Einige Eltern, auch ich, hatten Marcos Homepage betrachtet und wagten vorsichtig einzuflechten, dass sich darauf ziemlich intelligente Texte

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