Schnupperküsse: Roman (German Edition)
an Appetit nach und kuschelte mich an ihn, doch er reagierte nicht darauf.
»Ich weiß, du bist gerne Hausfrau und Mutter, aber vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, dir beruflich etwas aufzubauen, damit du eine Beschäftigung hast und etwas Geld verdienst.«
»David, findest du nicht, dass ich Beschäftigung genug habe? Ich hetze mich den ganzen Tag, laufe von einem Termin zum anderen, egal, was es ist, Schule, Sophies Ballett oder Georgias Schwimmtraining. Ganz zu schweigen von Adams Zahnklammer, um die ich mich alle fünf Minuten kümmern muss, weil sie andauernd kaputtgeht und der Zahnarzt schon denken muss, ich würde ihm nur Steine zu essen geben.«
»Trotzdem scheinst du immer noch genügend Zeit zu haben, deine Schwester, deine Mutter und deine Freundinnen zu sehen. Und zum Friseur und zum Waxen zu gehen.«
Ihm kann man es auch nicht recht machen, denn wäre ich mit Haaren an den Beinen oder anderen Stellen im Bett aufgetaucht, hätte er Zustände bekommen.
»Ich dachte, wir wären uns einig, dass ich erst dann wieder in den Beruf einsteige, wenn Sophie auf dem Gymnasium ist?« Was in drei Jahren wäre. »Ich muss doch nicht arbeiten, oder?«, fügte ich inzwischen unsicher hinzu. »Gibt es ein Problem bei dir in der Firma?« Es hatte schon früher Gerüchte um Entlassungen gegeben. »Stecken wir in irgendwelchen finanziellen Schwierigkeiten?« Wie lächerlich und erniedrigend sich diese Frage anhört, dachte ich in dem Moment. Immerhin war ich eine erwachsene Frau, die einmal genau über unsere finanziellen Verhältnisse Bescheid gewusst hatte, doch in letzter Zeit hatte ich die Dinge schleifen lassen und mittlerweile keine Ahnung mehr davon, außer dass anscheinend immer genügend Geld vorhanden war. Was ich beschämenderweise als selbstverständlich angenommen hatte.
»Nein, nein, es gibt kein Problem«, erwiderte er schnell. »Ich dachte nur … Nun ja, manchmal ist es ganz gut, auch noch zusätzliche Interessen zu haben, über die man sich unterhalten kann.«
In mir gingen sämtliche Alarmglocken an. Ich nahm ein Kissen in den Arm und legte es mir vor die Brust. Ich hätte nicht nachhaken, sondern einfach darüber hinweggehen sollen, aber ich konnte nicht.
»Willst du etwa damit sagen, ich bin langweilig?«
»Nein, das nicht.«
»Was dann? Dass du dich mit mir langweilst?«
Ich sah ihn an, richtig an, so wie ich es in letzter Zeit nicht getan hatte. Mit dem strengen Was-hast-du-jetzt-wieder-angestellt-Blick. Er trug neue Socken. Von Ben Shearman. Ich hatte sie ihm nicht gekauft. Musste er wohl selbst gewesen sein. Was er normalerweise nie tat. Außer … Mein Herz begann zu rasen. »David?«
Und dann kam alles heraus. Ich kann immer noch nicht daran denken, ohne wütend zu werden.
Als ich dann am nächsten Tag die Reste meiner Ehe wegräumte und den in zwei Hälften zerbrochenen Löffelbiskuit auf Davids Teller sah, fühlte ich mich elend und traurig. Und genau in jenem Moment wusste ich, ich würde nie wieder Löffelbiskuits backen.
»Ich würde zu gerne wissen, was du gerade denkst«, sagt Mum zu mir und unterbricht meine Gedanken.
Ich schlage das Rezeptbuch zu.
»Nichts«, antworte ich. »Soll ich den Kessel noch einmal aufsetzen?«
»Nimm den neben dem Spülbecken. Ich habe ihn in der Speisekammer gefunden – der ist für die Kochplatte, nicht für die Siedeplatte. Auf der würde das Wasser nur köcheln. Du kannst ihn benutzen, ich habe ihn richtig sauber gemacht.«
Der Kessel pfeift, als Adam in kurzen Hosen und einem T-Shirt die Treppe herunterkommt, um sich noch einen Nachschlag von den Würstchen und dem Speck zu nehmen. Er grummelt vor sich hin, dass er nicht in Facebook kommt und auch nicht genügend heißes Wasser für die Badewanne da ist. Ein paar Minuten später kehren Dad und die Mädchen mit diversen Einkaufstüten zurück, jedoch ohne Abtropfbrett. Sophie stapft herein, stößt sich den Zeh am Rand einer der Steinplatten und bekommt einen Wutanfall.
»Ich habe mir die Zehen gebrochen«, weint sie.
»Tja, wenn man Flipflops trägt«, sage ich. »Ich habe dir Sommerschuhe gekauft, erinnerst du dich?«
»Aber die Sommerschuhe sind überhaupt nicht cool«, meint Sophie, und ich höre, wie meine Mutter Luft holt.
»Als ich acht war«, bemerkt sie, »waren die einzigen Schuhe, die ich besaß, ein Paar braune Sandalen mit Kreppsohlen, die in der Sonne schmolzen. Ich machte nie einen Aufstand, die neueste Mode tragen zu wollen, oder« – ihr Blick wandert
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