Schnupperküsse: Roman (German Edition)
beantragen.«
David kann mich nicht einschüchtern. Ich fühle mich ziemlich sicher. Ich weiß, er und seine Freundin wollen die Welt sehen und reisen. Er soll diese Wochenendfahrten einfach mal als Übung betrachten. Okay, ich bin sauer, aber wen wundert’s? Immerhin ist es David, der in der Gegend herumzieht und sich in seiner Midlife-Crisis ergeht, als wäre er der Einzige, dem so etwas je widerfahren ist.
»Ich habe bereits vorgeschlagen, dass wir uns auf halber Strecke treffen«, werfe ich ein. Was soll ich sonst noch machen? Ich werde bestimmt nicht wieder zurückziehen. »Du musst sie ja nicht alle zwei Wochen sehen, wenn dir das zu viel ist. Hol sie einmal im Monat, sollte das für dich praktischer sein.« Das meine ich nicht so. Ich will den Kindern ihren Vater nicht vorenthalten.
»Aber ich will sie doch sehen«, entgegnet er. Er sieht verletzt aus, und für einen Augenblick tut er mir leid, denn obwohl er selbst daran schuld ist, scheint er sie zu vermissen – was aberwitzig ist, denn als wir verheiratet waren, war er fast nie da. Er besaß die unglaubliche Gabe, dann nach Hause zu kommen, wenn ich ihnen gerade zu essen gegeben, sie gebadet und ihnen eine Gutenachtgeschichte vorgelesen hatte. Ich begann schon, das Haus nach versteckten Kameras abzusuchen, weil ich dachte, er würde mich ausspionieren.
»Mag Alice auch hereinkommen?«, frage ich, obwohl ich bereits gesehen habe, dass sie nicht im Auto ist.
»Alice? Oh nein, sie ist übers Wochenende mit ein paar Freundinnen zu einem Junggesellinnenabschied in ein Wellness-Hotel gefahren.«
»Oh, hat sie jetzt schon genug von dir?«
»Wirklich, Jennie, du kannst so kindisch sein«, seufzt David, als er in die Diele tritt.
»Zieh besser die Schuhe aus. Sonst bringst du den ganzen Dreck von draußen herein«, füge ich als Erklärung hinzu. Ich führe David durch das Haus – nein, Sophie führt ihn, und ich trotte hinterher, in der Hoffnung, dass er beeindruckt ist, doch das ist er ganz und gar nicht. Im Gegenteil – er ist entsetzt.
»Ich wusste es!«, ruft er aus, als Sophie ihm den Thron im Badezimmer und den Ort des Schreckens zeigt, wo die berüchtigte, von mir entfernte Spinne saß. »Du bist vollkommen verrückt, Jennie. Erwartest du etwa wirklich, dass unsere Kinder hier leben? Abgesehen davon, dass das Haus dreckig und feucht ist, wirst du noch Jahre brauchen, um es wieder in Schuss zu bekommen, und Sophie wird sich noch einmal eine Brustkorbinfektion holen.«
»Blödsinn. Die hatte sie nur wegen der Autoabgase … und der Umweltverschmutzung. Die Landluft wird ihren Lungen guttun.«
»Und warum müssen die Mädchen sich ein Zimmer teilen?«
»Weil sie es so wollten.«
»Sie haben mir am Telefon von der toten Fledermaus erzählt. Und der Invasion der Kühe.«
»Als Invasion kann das kaum bezeichnet werden. Sie spazierten in den Garten, weil wir das Tor nicht zugemacht hatten. Sophie, geh bitte und hilf Georgia beim Kofferpacken!« Ich schaue nach, um zu sehen, ob Adam uns hören kann, doch seine Stimme klingt vom Garten zu mir herüber, wo er sich von seinem Hund verabschiedet.
Ich bin versucht, nach allem, was passiert ist, David keinen Kuchen anzubieten, doch will ich nicht kleinkariert sein. Außerdem schadet es nicht, ihn daran zu erinnern, auf was er alles verzichtet: seine Familie und meine Kochkünste.
»Komm doch herein.« Dad und ich haben viel Arbeit in die Küche gesteckt – ich glaube nicht, dass es an ihr etwas auszusetzen gibt, obwohl David es bestimmt versuchen wird, da bin ich mir sicher. Ich setze Wasser auf, während David sich an den Tisch setzt und den Chronicle in die Hand nimmt. Er wirft zuerst einen Blick auf meine Anzeige für Jennie’s Cakes und widmet sich dann dem Stück Marmeladenkuchen, das ich ihm hingestellt habe. Er untersucht es, vielleicht auf Haare. Er neigt zu Zwangsneurosen.
»Der war … sehr lecker«, sagt er schließlich.
»Ich denke, Alice wird kaum Zeit haben, zu backen.« Sie arbeitet den ganzen Tag.
»Auch nicht zum Kochen«, sagt er wehmütig. Und dann, als hätte er das Gefühl, ihr gegenüber nicht loyal zu sein, fügt er hinzu, »aber ich habe zu ihr gesagt, dass sie das auch nicht muss.« Er schaut auf seine Armbanduhr. »Ich mache mich besser auf den Weg zurück. Die Straßen dürften inzwischen leerer sein.«
Widerwillig trommle ich die Kinder zusammen, für die es ebenso schwierig ist. Sophie möchte mit David fahren, Georgia bei mir bleiben, und Adam ist zwischen der
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