Schnupperküsse: Roman (German Edition)
um die Kinder abzuholen.
»Das ist eine verflucht lange Fahrt an einem Freitagabend«, murmelt er. »Der Verkehr …«
»Hallo, David. Schön, dich zu sehen«, sage ich freundlich.
»Hallo.«
»Wie war dein Urlaub?«, frage ich. Er und Alice waren vorletzte Woche auf Kefalonia gewesen, doch sieht David unter seiner Bräune blass aus.
»Großartig«, erwidert er und zögert, bevor er fortfährt. »Die Kinder hätten den Strand geliebt …«
Ich verkneife es mir, ihm zu sagen, er hätte sie gerne mitnehmen können, denn ich vermute, er ist oft hin und her gerissen, viel Zeit mit Adam, Georgia und Sophie zu verbringen und gleichzeitig Alice zufrieden zu stellen.
Mir fallen seine Augenringe und die Bartstoppeln auf seinen Wangen auf, während er mich von oben bis unten mustert. »Mein Gott, Jennie. Du siehst fürchterlich aus. Was hast du nur gemacht?«
Ich schaue an mir herunter und sehe meine übliche Arbeitskleidung, Jeans und ein Hemd, und fahre mir mit dem Handrücken über die Stirn. »Ich habe gebacken, mich um den Garten gekümmert und den Teich von Unkraut befreit.«
»Na, das war ja eine geistige Herausforderung«, meint er sarkastisch. »Sieh dir mal deine Armmuskeln an.«
David hat Recht, sie sind ausgeprägter, das ist mir vorher nicht aufgefallen. Und meine Haut ist leicht gebräunt, obwohl ich sie zentimeterdick mit Sonnencreme eingerieben habe. Kann sein, dass ich David so nicht gefalle, aber ich fühle mich sehr gesund. »Zumindest muss ich kein Geld fürs Fitnessstudio ausgeben.«
»Da war ich auch schon eine ganze Weile nicht mehr.«
Sehe ich, denke ich. Er hat zugenommen.
»Sind die Kinder fertig?«
»Daddy, Daddy!« Sophie steht seit heute Morgen mit ordentlich gepacktem rosa Rollkoffer in den Startlöchern. Es schnürt mir die Kehle zu, als ich sehe, wie sie sich an ihren Vater klammert und die Arme um seinen Hals schlingt. »Ich habe dich vermisst.« Sie küsst ihn auf die Wange und kichert vor Freude, ihre Locken wippen auf ihren Schultern.
»Ich dich auch«, sagt David und setzt sie auf der Stufe ab. »Möchtest du schon mal deine Tasche ins Auto bringen?«
»Ich hole nur schnell Georgia und Adam«, meint sie. Daddys Liebling.
Adam ist nicht weit weg. Er stapft mit seinem Rucksack, dessen Gurte nicht festgezogen sind und der oben offen steht, so dass Kleider und Kabel heraushängen, durch die Diele.
»Wo ist Georgia?«, fragt David.
Bestimmt noch beim Packen, denke ich. Ihre Art von Verzögerungstaktik, um so wenig Zeit wie möglich außerhalb von Uphill House verbringen zu müssen, denn von den dreien ist sie diejenige, die sich bisher am besten eingelebt hat. Bisher. Wie Sie sehen, ich bin optimistisch. Man soll den Morgen nicht vor dem Abend loben.
»Komm doch herein«, meine ich einladend zu David. »Ich zeige dir das Haus.« Ich vermute, er war deshalb so versessen darauf, die ganze Strecke heute Abend zu fahren – er wollte Uphill House sehen. Als er und Alice ihre Wohnung kauften, durfte ich erst einen kurzen Blick hineinwerfen, als ich die Kinder das vierte oder fünfte Mal vorbeibrachte. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, Georgia zu bitten, die Wohnung mit ihrem Handy zu filmen, es dann aber doch gelassen, weil sie das wahrscheinlich in Konflikt mit ihren ethischen Grundsätzen gebracht hätte. Tja, und dann war das Glück auf meiner Seite: Adam vergaß seinen iPod bei ihnen – damit hatte ich die perfekte Entschuldigung.
Ich ging zurück zu ihrer Wohnung und schob mich an David vorbei, der in der Tür stand. Alice lag gerade auf einem der beiden Sofas. Es waren die gleichen, die David und ich hatten, als wir noch verheiratet waren. Auf ihrem Schoß lag ein Klatschblatt, ich glaube es war Hello! , und ich erinnere mich, wie ich in dem Moment dachte: Wie oberflächlich! Und wie jung … Und wie mies, dass David mich betrogen hat.
Mich in der Wohnung richtig umsehen konnte ich allerdings nicht. Ich musste so schnell wie möglich wieder raus.
»In der Speisekammer ist Marmeladenkuchen«, sage ich.
»Danke, Jennie, aber ich kann nicht lange bleiben. Ich hatte eine anstrengende Woche und dann noch diese ganze Fahrerei!«
»Pech«, lautet mein Kommentar. Er hatte sich nun mal entschieden. Für Alice und gegen mich und die Kinder.
»Du musst jetzt nicht pampig werden.« David hält inne. »Du solltest besser dankbar sein, dass diese Vereinbarung hier, die du uns allen rücksichtslos aufgezwungen hast, mich nicht dazu gebracht hat, das alleinige Sorgerecht zu
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