Schnupperküsse: Roman (German Edition)
Möglichkeit, seine Freunde in London wiederzusehen oder hier bei seinem Hund zu bleiben hin und her gerissen. Dennoch schaffen sie es, innerhalb einer halben Stunde in Davids Auto zu sein und mir zum Abschied zu winken. Wie ich da so stehe und meine Tränen unterdrücke, um ihnen nicht zu zeigen, wie aufgewühlt ich bin, bin ich fast versucht zu sagen: »Ich komme mit und besuche Mom und Dad«.
»Bis Sonntag bei McDonalds«, sagt David und steigt ins Auto. »Komm nicht zu spät. Ich fliege am Montag nach Brüssel und muss deshalb sehr früh raus.«
Ich sehe, wie meine Familie davonfährt. Die Reifen fahren knirschend über die Schlaglöcher, das Auto zieht eine Staubwolke hinter sich her und verschwindet von der Straße. Ich schaue auf meine Armbanduhr. Noch vierundvierzig Stunden, und sie sind wieder da. Als ich mich mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf zum Haus umdrehe, höre ich neben mir ein Jammern. Es ist Lucky.
»Tja, mein Guter«, sage ich, »jetzt sind nur noch du und ich hier.«
Er schaut mich mit traurigen Augen an und wedelt einmal mit seinem Schwanz, bevor er mich ins Haus begleitet. Ich gehe durch ins Wohnzimmer und zünde eine Reihe von Teelichtern im Kamin an. Lucky macht es sich auf meinem Schoß bequem und legt den Kopf in meine Armbeuge, währenddessen ich auf die flackernden Flammen schaue. Nach all den Jahren dämmert mir langsam, worin der Sinn eines Hunds als Haustier liegt. »Du bist ein ganz großer Schatz«, sage ich zu ihm, und aus seinem Hals ertönt ein Geräusch, das sich wie das Schnurren einer Katze anhört.
Das Wiedersehen mit David ruft alte Erinnerungen in mir wach. Obwohl er mir vor inzwischen achtzehn Monaten mitteilte, dass es eine andere Frau gäbe – Alice –, kommt alles wieder in mir hoch. Ich hielt mich für eine moderne Frau mit traditionellen Werten. Ich gab meinen guten Job für unsere Familie auf. Ich wusch Davids Socken, bügelte seine Hemden und kümmerte mich um seine Kinder. Ich kochte für ihn, auch an diesem Abend, denke ich, als ich das letzte Mal Löffelbiskuits backte.
»Ich verstehe nicht, warum du an unserer Ehe festhältst«, sagte David, als wir damals nebeneinander auf dem Sofa saßen. »Bis jetzt, meine ich«, fügte er hinzu.
»Was meinst du mit ›bis jetzt‹?« Irgendetwas war dieses Mal anders. Normalerweise rückte David nicht freiwillig mit der Information heraus, eine Affäre zu haben. Er neigte eher dazu, sie erst dann zuzugeben, wenn sie vorbei war oder ich davon Wind bekommen hatte. Zweifel stiegen in mir hoch. »Es ist doch vorbei, oder?«
David blickte mich reuevoll an und schüttelte ganz langsam den Kopf.
»Es tut mir wirklich leid, Jennie.«
»Du triffst dich noch mit ihr?« Die Lampe über uns flackerte. »Oh, mein Gott, es ist etwas Ernstes.«
David nickte, als ob es ihm auf einmal die Sprache verschlagen hätte. Ich nahm den Geruch von Alkohol und beißendem Schweiß wahr. Er war höllisch nervös, und das sollte er verdammt noch mal auch sein, denn er erzählte mir das alles nicht, um mich um Verzeihung zu bitten, sondern weil er aus unserer Ehe rauswollte.
Mir stieg vor Wut darüber, betrogen worden zu sein, die Galle hoch. Früher hatte ich um meine Ehe gekämpft, aber das hier ging zu weit. Von mir aus konnte er »raus«. Für mich war das Thema erledigt, ich würde ihn nie wieder an mich heranlassen.
»Wer ist sie, diese Schlampe?«, fragte ich mit scharfem Unterton in der Stimme.
»Das ist doch völlig egal.«
»Ist es überhaupt nicht.« Meine Hände waren zu Fäusten geballt. Ich wollte – ich musste – alles über sie wissen. Wie sie aussah, wie sie sprach, welches Parfum sie benutzte. Was David an ihr so toll fand. Was es war, das sie hatte, was ich nicht hatte.
»Übrigens, nur zu deiner Information, sie ist keine Schlampe, und ich bin sehr verliebt in sie«, sagte er mit leiser, leicht verlegener Stimme.
»Na, da hat sich dein Herz aber schnell umentschieden«, bemerkte ich und stand auf. »Letzte Woche noch hast du mir gesagt, du liebst mich!« Es war ihm ganz spontan über die Lippen gekommen, als ich gerade Schokolade in einem Wasserbad schmolz. Er hatte sich hinter mich gestellt, eine Hand um meine Taille gelegt und laut »Ich liebe dich« gesagt. Jetzt begreife ich. Er stellte seine Gefühle auf die Probe, um sich zu entscheiden.
»Stimmt, ich habe gesagt, dass ich dich liebe, aber nicht, dass ich in dich verliebt bin, und das ist ein Unterschied.«
Ich spürte, wie mir Tränen über die
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