Schnupperküsse: Roman (German Edition)
Puderzucker noch zu gebrauchen ist.« Er hält inne, und ich vernehme das Rascheln von Papier durch das Telefon. »Er sieht noch gut aus, ein Verfallsdatum kann ich nirgendwo finden. Wozu brauchst du den denn so früh am Morgen?«
»Das ist eine lange Geschichte. In wenigen Worten zusammengefasst – Lucky hat sich über Pennys Hochzeitstorte hergemacht, und ich bin die ganze Nacht auf gewesen, um den Schaden zu beheben, denn die Hochzeit ist morgen – ich meine, heute.« Ich fluche leise.
»Ich bringe dir den Puderzucker in zwei Minuten vorbei, wenn ich die Kühe zum Melken hereinhole.«
»Guy, du hast mir gerade das Leben gerettet«, sage ich zu ihm, als er mir das Paket durch das Küchenfenster reicht.
»Ich sah bei dir die Lichter die ganze Nacht brennen. Ich habe dich aber nicht gestalkt, sondern war wegen einer der Kühe auf.« Ich kann sein Gesicht nicht richtig erkennen, doch seine Stimme klingt heiser, als hätte ihn etwas aufgewühlt.
»Ich hoffe, es geht der Kuh wieder gut«, sage ich und wünschte mir im selben Augenblick, nichts gesagt zu haben.
»Sie ist tot«, sagt er kurz angebunden.
»Oh Gott, wie schrecklich. Welche war es?«
»Die gute alte Kylie. Ich weiß, es hört sich albern an, aber ich habe diese Kuh geliebt. Sie war meine erste Milchkuh von der Rasse der Kurzhornrinder und eine der besten …«
»Das tut mir leid.« Früher fand ich es eigenartig, wenn jemand eine so enge Beziehung zu einem Tier hatte, doch seit ich hier wohne und die Hühner habe, ist das anders. Ich habe sie lieb gewonnen, besonders die quirligen. Von dem Hund kann ich das bisher noch nicht behaupten, dennoch verstehe ich, wie Guy sich nach dem Verlust seiner Lieblingskuh fühlt, um die er sich Jahre gekümmert und die er zwei Mal am Tag gemolken hat. Das muss ziemlich wehtun. »Warum kommst du nicht herein und setzt dich für eine Minute hin? Du siehst ein bisschen mitgenommen aus. Ich hab einen Brandy hier – du kannst einen haben, außer du findest es noch zu früh dafür.«
»Ja, vielleicht sollte ich kurz hereinkommen.« Dann zögert er. »Aber du bist beschäftigt, Jennie.«
»Ich könnte eine Pause vertragen«, sage ich. »Komm rein!«
Guy gesellt sich zu mir in die Küche, und ich rücke zwei Stühle vor den AGA . Anschließend schenke ich ihm einen Becher Kaffee ein und gebe einen Schluck Brandy dazu.
»Danke, Jennie«, sagt er und sinkt auf einen Stuhl.
»Ich werde Adam rufen, damit er dir beim Melken helfen kann«, erkläre ich.
»Ist er denn hier?«, fragt Guy überrascht. »Ich dachte, er wäre übers Wochenende in London.«
»Sollte er an sich auch. Es war geplant, dass ich David auf halber Strecke treffe, doch ich wusste, ich würde diese Cupcakes nie fertig bekommen, wenn ich ein paar Stunden auf der Autobahn unterwegs wäre. Ich habe auch schon ein ganz schlechtes Gewissen, aber was blieb mir anderes übrig? Die Hochzeit ist heute.«
»Lass Adam schlafen.« Guy trinkt den Becher aus. »Der Abdecker kommt nachher, um die Kuh abzuholen«, fügt er als Erklärung hinzu. »Ich denke, das könnte ein traumatisches Erlebnis für ihn sein. Es ist ja schon für mich schwer genug, aber Adam ist ein sensibler junger Mann.«
Ich stehe auf, nehme den Becher aus Guys Händen und lege meinen Arm um seine Schulter. Er lehnt seinen Kopf gegen meine Schürze und ich drücke ihn tröstend an mich.
»Vielen Dank für das Mitgefühl – und den Brandy«, murmelt er, bevor er seinen Kopf wieder wegzieht. »Du bist ziemlich verständnisvoll.« Er steht auf, und ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen, als er hinzufügt, »für eine Städterin.«
»Wegen heute Abend«, beginne ich, »oder vielleicht besser nachher? Ich bin mir nicht sicher. Ich will dich nicht enttäuschen, aber ich kann –«
»Heute Abend nicht mit dir ausgehen«, beendet er meinen Satz. »Ist schon in Ordnung. Habe ich mir irgendwie schon gedacht …«
»Es ist nicht, weil ich nicht will«, stottere ich. »Die Umstände zwingen mich dazu.«
»Das sehe ich ein.« Guy lächelt verzagt. »Ein andermal dann?«
»Auf jeden Fall.« Ich zögere. »Warum kommst du heute Abend nicht zum Abendessen vorbei? Ich weiß, es wird nicht das Gleiche sein, aber …«
»Das finde ich eine gute Idee«, wirft Guy ein. »Danke, Jennie.«
14
Möhrenkuchen
Nachdem Guy mir mit seinem Restbestand an Puderzucker aus der Klemme geholfen hat, kann ich die Cupcakes fertig verzieren und die Glasur in der Zeit trocknen lassen, in der ich nach Exeter
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