Schnupperküsse: Roman (German Edition)
die Auffahrt hinunter zum Hoftor gehen.
»Es gibt im Krankenhaus von Talyton eine Abteilung für leichte Verletzungen«, sagt er mit besorgter Miene. »Sie ist rund um die Uhr geöffnet, auch am Wochenende. Ich werde mich mit Adam um das Pony kümmern. Mach dich auf den Weg!«
Ich schaue hinüber zu Georgia, die aussieht, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Ich packe sie sofort ins Auto und rufe Sophie, dass sie mit einem Buch herunterkommen soll, um mit uns mitzufahren. Wir verbringen drei Stunden damit, dass Georgias Arm geröntgt und in Gips gelegt wird. Am Schluss gibt man uns noch einen Termin bei einem Facharzt im Krankenhaus für die darauffolgende Woche.
»Du wirst eine Zeit lang nicht reiten dürfen«, stellt die Krankenschwester lächelnd fest, und ich muss zugeben, dass ich darüber erleichtert bin. Ich glaube nicht, dass ich den Anblick meiner Tochter auf diesem oder irgendeinem anderen Pony noch einmal ertragen kann. Georgia indessen sieht das völlig anders.
»Und wann darf ich wieder reiten?«, fragt sie.
»Das wird wohl sechs bis acht Wochen dauern, denke ich.«
»Ich habe gerade erst ein Pony bekommen, und jetzt kann ich es nicht reiten«, bemerkt Georgia mit bebender Stimme. »Wie schade!«, fährt sie fort und weint in ihr Taschentuch.
Ich halte sie in meinen Armen, doch ich kann sie nicht trösten. Ich erzähle ihr nichts von meiner Entscheidung – das wäre zu traumatisch für sie. Doch mein Entschluss steht fest. Bracken geht.
Als wir wieder zu Hause sind, ruft Georgia ihren Dad an. Der Arm schmerzt nicht mehr so sehr, so dass sie schon wieder ganz guter Dinge ist. Ich höre zufällig, wie sie stolz verkündet: »Ich bin von Bracken, meinem Pony, gefallen.« Das Gespräch mit ihrem Vater ist kurz, und dann versucht sie, mir das Telefon zu geben.
»Dad möchte mit dir reden«, sagt sie, während ich einen Schritt nach hinten mache und ihr zu verstehen gebe, dass ich mit ihm nicht sprechen möchte, doch Georgia begreift nicht, was ich meine, und drückt mir das Telefon in die Hand.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, fährt er mich an.
»Ich hätte nicht vorsichtiger sein können, David.«
»Manchmal bist du unglaublich dumm … und so unverantwortlich.«
»Ich habe sie nur spazieren geführt«, erwidere ich verletzt. »Das Pony lief weg.«
»Du hättest es aufhalten können!«
»Ich wusste nicht, wie.«
»Indem du die Zügel festgehalten hättest, vor sie hin gesprungen wärst oder sonst irgendwas gemacht hättest.«
»David, du hast keine Ahnung von Pferden.«
»Du auch nicht.«
Ich halte das Telefon von mir weg. Als er seinen Dampf abgelassen hat, nehme ich’s wieder ans Ohr.
»Du musst nicht auf mich losgehen – ich habe sowieso schon ein schlechtes Gewissen«, murmle ich. »Die letzten vierundzwanzig Stunden waren wirklich fürchterlich, David, und ich habe keine Kraft mehr für eine solche Diskussion.« Völlig erschöpft hänge ich ein.
»Dad war ziemlich sauer, oder?«, fragt Georgia neben mir. »Kannst du mir helfen, einen Pullover zu finden, den ich über meinen Gips anziehen kann?«
»Wann gibt’s Abendbrot?«, unterbricht sie Adam.
»Guy kommt zum Abendessen«, sage ich, während ich den Haufen sauberer Wäsche durchgehe, der es nicht weiter als auf den Stuhl in dem kleinen Nebenzimmer geschafft hat. »Genauer gesagt bringt er es mit.«
»Warum?«, fragt Adam und schaut mich an. Bilde ich mir das nur ein, oder verfinstert sich sein Blick wirklich?
»Weil ich ihn gefragt habe.«
»Das meine ich nicht«, sagt Adam schnell – so schnell, dass ich weiß, dass er lügt. »Ich meine, warum Abendessen, wenn’s doch Abendbrot ist.«
»Ich weiß nicht. Vielleicht, um in diesem Haus einen gepflegteren Umgangston einzuführen.«
»Jetzt redest du aber vornehm daher.«
»Ich mache nur einen Witz«, sage ich.
»Ist aber nicht lustig.« Adam schiebt sich den Rest des Cupcake in den Mund. »Wann gibt’s Abendbrot? Ich meine Abendessen«, kommt es spöttisch aus seinem Mund. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht streng genug mit ihm bin.
Es ist sieben, als Guy mit Bratfisch und Pommes frites von Mr. Rocks in Talyton vorbeikommt. Er kommt von allein zu uns in die Küche, wo Sophie gerade den Tisch deckt und Georgia nach fünf sauberen Gläsern schaut. Adam steht an der Spüle, um abzuwaschen, doch ist er eher damit beschäftigt, seinen Schwestern heimlich Seifenschaum zuzuschnipsen.
»Wein oder Bier?«, frage ich Guy.
»Ein Glas Wein, danke.«
»Roten
Weitere Kostenlose Bücher