Schockgefroren
ich die Fragen des Reporters beantwortet habe und der Fotograf seine Bilder geschossen hat, kehren wir zum Auto zurück. Der Reporter bringt mich nach Hause. Er sagt, er habe genug Informationen für seinen Artikel. Ob er mich anrufen darf, sollten noch weitere Fragen auftauchen?
»Klar«, sage ich. »Jederzeit.« Ich fühle mich gut, weil der Zahnarzt nicht so tief gebohrt hat, wie ich befürchtet habe. Die blanken Nerven hat er verschont.
Als ich die Tür meiner Wohnung hinter mir schließe, verfalle ich in eine merkwürdige Aktivität. Es ist Zeit, den Koffer zu packen! Es ist Zeit, nach Kaprun zu reisen! Es ist Zeit, sich in die Arbeit zu stürzen und nur noch an die Gegenwart zu denken! Doch kaum bin ich eine Woche in Österreich, als das Telefon klingelt. Der Reporter ist dran. »Gibt’s noch Fragen?«, will ich wissen. »Kann ich weiterhelfen?« Natürlich bin ich gut gelaunt, höflich, zuvorkommend, aufmerksam und liebenswürdig. Ich bin schließlich Sascha Buzmann, der seinen Namen immer schön schreibt.
Der Reporter meint, der Text sei in trockenen Tüchern. Er nennt mir das Erscheinungsdatum des Magazins. Aber da gäbe es eine Kollegin. Sie arbeitet für einen Fernsehsender, der ebenfalls zum Nachrichtenmagazin gehört, und sei sehr interessiert an dieser Geschichte. Sie könnte sich vorstellen, einen Film darüber zu drehen. Er fragt mich, was ich davon halte.
Vor mir erheben sich die schneebedeckten Gipfel des Kitzsteinhorns. Dort oben liegt der Speichersee Wasserfallboden. Möglicherweise leben doch Haie darin. Der Reporter stieß die Tür zum Verlies meiner Erinnerungen einen Spalt weit auf. Jetzt fragt er, ob wir sie nicht ganz öffnen wollen. Seit dem Tag, an dem ich die Geschichte von Calpe aufs Papier brachte, habe ich kein weiteres Wort darüber verloren. Ich war mir sicher, so würde das bleiben. Doch das einzig Sichere an der Sicherheit ist, dass es sie nicht gibt.
Ich bin in einer Zwischenwelt.
Sie ist nicht mehr ganz Leben, noch nicht völlig Tod. In dieser Welt ist alles gedämpft: die Farben, die Temperatur, der Hunger, der Durst, der Teufel. Was er mir antut, ist gedämpft. Was er sagt, ist gedämpft. Er hat mir etwas zu trinken gegeben, aber er gibt mir nichts zu essen. Manchmal weine ich, aber auch das nehme ich nur gedämpft wahr. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seit der Teufel mich schnappte. Vielleicht ist es seither vier Mal hell geworden, vielleicht fünf Mal oder mehr. Manchmal verlässt der Teufel den Wohnwagen. Nie lange, für ein paar Minuten vielleicht. Außerdem redet er immer häufiger mit sich selbst. Manchmal schreit er herum, doch auch das dringt nur gedämpft an mein Ohr. Dann stürmt er auf mich zu und schlägt mich, aber ich spüre die Schläge nicht gleich. Seine Hände treffen auf meinen Körper, doch bis der Schmerz in meinem Kopf ankommt, vergeht die Zeit. Immer und immer und immer wieder will er was mit seinem Pimmel machen. Da möchte er dieses und jenes, doch meine Welt ist gedämpft, ist weit weg, selbst dann, wenn er mich auf den Bauch dreht und sich auf mich kniet. Er hat endlich geschafft, was er seit Tagen versucht hat; es gelingt ihm jetzt, seinen Pimmel in meinen Po zu stecken. Das tut sehr weh, selbst in meiner gedämpften Welt. Ich blute, ihm ist es egal. Er redet mit sich selbst. Er schimpft. Er trinkt aus Flaschen. Er stinkt. Er schläft. Er schnarcht. Er öffnet die Hose. Nimm den Pimmel. In die Hand. In den Mund. Leg dich auf den Bauch. Stell dich nicht so an. Hör auf zu heulen, sonst setzt es was. Entweder – oder. Es klatscht. Es ist kein Beifall.
Meine Welt wird immer verschwommener. Sie verliert alle Farben. Sie ist nur noch schwarz und weiß. Ich bin allein in dieser Welt. Meine Eltern sind daraus verschwunden, es gibt keinen mehr, der Witze reißt. Ich weiß, dass ich sterben werde. Ich weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird. Der Teufel merkt es auch. Er glaubt, dass ich zu ihm zurückkehre, wenn er mich härter schlägt. Wenn er seinen Pimmel tiefer in mich rammt. Das Gegenteil passiert. Ich gehe noch weiter von ihm weg. Ich gehe dorthin, wo Schatten sind und kein Licht mehr.
Da kommt er mit den Zwiebeln.
Er geht raus aus dem Wohnwagen. Der kalte Luftzug, der meine nackte Haut berührt, bringt mich für einen Moment zurück. Dann steht er wieder da. Er hält etwas in seinen Händen. Es sind Zwiebeln. »Die gibt’s zum Essen«, sagt er.
Er macht sich am Ofen zu schaffen. Er hat sich schon ein paar Mal am Ofen zu
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