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Schockgefroren

Schockgefroren

Titel: Schockgefroren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Buzmann
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fürchterlich. Plötzlich zischt es, ich sehe eine Stichflamme, Adam G. macht einen Satz zurück. Er schlägt die Ofentür zu, und das Holz darin beginnt zu brennen. Es dauert nicht lange, und im Wohnwagen wird es wärmer. Adam G. ist zufrieden. Ich bin es auch. Die Kiste ist kaputt, was kann besser sein? Jetzt kann er mich nicht mehr hineinstecken. Ich weiß noch nicht, dass es schlimmere Dinge als Kisten geben kann.

Das Schicksal von Sascha Buzmann zeigt, wie ein Kind außergewöhnliche körperliche und seelische Torturen aushalten kann, ohne daran vollkommen zu zerbrechen, und es zeigt den Preis, den es dafür sein Leben lang zahlen muss.
    Völlig gerädert wache ich auf. Meine Haare sind verschwitzt, das T-Shirt klebt mir nass am Körper. Ich hatte einen Alptraum, und dieser Satz kam darin vor. Nein, mehr als das, dieser Satz war der Alptraum. Ich bin in einer tiefen Schlucht unterwegs, in die kein Lichtstrahl fällt. Auf einmal höre ich es donnern und sehe riesige Buchstaben auf mich herabstürzen. Wie eine Lawine drohen sie, mich unter sich zu begraben. Ich will weglaufen, doch sosehr ich mich auch bemühe, ich komme einfach nicht von der Stelle. Meine Füße stecken fest, und als ich an mir herabsehe, entdecke ich, dass die Buchstaben wie zäher Schlamm sind. Der Schlamm bewegt sich wie Abertausende Würmer, wabert hin und her, formt dabei immer neue Satzstücke:
    ein Kind außergewöhnliche körperliche und seelische Torturen
    zeigt den Preis
    Leben lang zahlen
    Schicksal von Sascha Buzmann
    Die Satzstücke entstehen und zerfallen, schneller und schneller, ergeben keinen Sinn:
    ein Kind kann aushalten, ohne den Preis zu zahlen
    Torturen Sascha zeigt das Schicksal sein Leben lang
    Dann beginnen sie an mir hochzukriechen, diese Würmersätze, und ich schlage um mich, will sie abstreifen, aber sie sind überall, türmen sich auf, brechen über mir zusammen, begraben mich unter sich. In diesem Augenblick wache ich auf.
    Schwer atmend liege ich im Bett.
    Ich kenne den Satz. Er stand im Artikel, und seit ich ihn gelesen habe, geht er mir nicht mehr aus dem Kopf: Das Schicksal von Sascha Buzmann zeigt, wie ein Kind außergewöhnliche körperliche und seelische Torturen aushalten kann, ohne daran vollkommen zu zerbrechen, und es zeigt den Preis, den es dafür sein Leben lang zahlen muss.
    Den Preis, den ich bezahlen muss – das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Im Artikel steht auch: »Der Junge scheint sich kaum von Gleichaltrigen zu unterscheiden.« Doch irgendwann wird er »antriebslos« und »zeigt kaum noch Eigeninitiative«. Da steht, dass er »zu schnell aufgibt, wenn es darum geht, den eigenen Willen durchzusetzen«.
    Während ich darüber nachdenke, fällt mir mein 21. Geburtstag ein. Wieder kommen die Erinnerungen ungeordnet: An diesem Tag will ich einen draufmachen, und in der Tasche habe ich einen 1.000-Mark-Schein. Den knalle ich in der Diskothek auf den Tresen und lasse eine Lokalrunde springen. Freibier für alle! Macht das einer, der sich nicht durchsetzen kann? Ich habe das Geld auch nicht geschenkt bekommen, ich habe es mir selbst verdient. Zuhause ist noch mehr davon, versteckt in Plastiktüten unter meinem Bett. Hat einer so viel Geld, der schnell aufgibt?
    Nein, Sascha, sage ich zu mir, als ich aufstehe und unter die Dusche gehe. Die Dinge liegen anders. Du hast bewiesen, dass du es kannst, auf legale wie illegale Weise. Die Sache ist nur, du bist nie drangeblieben.
    Ich werfe das verschwitzte T-Shirt in die Waschmaschine, und während ich unter den warmen Wasserstrahl trete, kreisen meine Gedanken weiter: Nein, auch das stimmt nicht. Ich bin drangeblieben, aber dann warf mich irgendetwas aus der Bahn. Brachte mich zurück auf »Los«.
    »Gehe zurück auf Los«, erfinde ich ein kleines Liedchen. »Aber geh nicht in das Gefängnis.«
    Da war ich tatsächlich nicht, im Gefängnis. Ich war nur im Gefängnis von Adam G. Später habe ich mehr Glück. Zum Glück habe ich mehr Glück.
    Ich bin ein cleveres Bürschchen von bald neunzehn Jahren, und die Bundeswehr ruft nach mir. Das kommt mir nicht gelegen. Gerade habe ich mir einen schwungvollen Handel aufgebaut: Ich kaufe und verkaufe Hasch. Jetzt soll ich als Schütze Arsch durch den Schlamm robben? Mir als Funker die Nächte im eiskalten Spähpanzer um die Ohren schlagen? Nee, Leute, ohne mich. Ich gehe zur Musterung und berichte von allerhand Gebrechen. Es zwickt mich in den Schultern, und es tut im Knie weh.
    »Was haben Sie denn gemacht?«, will

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