Schockgefroren
aufgestoßen. Zwei Männer treten ein. Ich sehe sofort, dass sie keine Uniformen tragen. Ich sehe sofort, dass sie keine Polizisten sind. Es ist, als ob eine Welle der Enttäuschung über mir zusammenbricht.
Adam G. ist trotzdem völlig von der Rolle. »Hab Besuch«, nuschelt er, »kann grad nicht.«
Einer der Männer stellt sich neben ihn. Der andere tritt zu mir ans Bett. Sein Gesicht sieht angewidert aus.
»Wer bist du denn?«, fragt er.
Ich schaue ängstlich drein. Wenn das ein Freund von Adam G. ist, wenn das zwei Freunde von Adam G. sind, dann …
Dann …
Aber irgendwie sieht der Mann anders aus, obwohl er keine Uniform trägt.
»Sascha«, antworte ich leise.
Vom vorderen Teil des Wohnwagens ertönt ein Geräusch. Der zweite Mann sagt: »Langsam, Freundchen«, während Adam G. ruft: »Er heißt Sascha Geist.«
Das bringt mich zu mir. Warum soll ich Sascha Geist heißen? Ich bin nicht Sascha Geist. Ich bin Sascha Buzmann.
Und das sage ich auch.
»Ich bin Sascha Buzmann«, sage ich.
Einen Augenblick lang sieht mich der Mann genauso starr an, wie Adam G. das sonst tut. Dann schlägt er sich die Hand vor die Stirn. »Das gibt’s doch nicht«, stammelt er.
Plötzlich kommt Leben in ihn. Mit einem Satz ist er bei Adam G. Ich kann sehen, wie er zupackt. Ich höre Adam G. aufschreien, und schon liegt er auf dem Boden.
Er liegt auf dem Boden, wie ich auf dem Boden lag.
Der zweite Mann kniet auf ihm. Er kniet auf ihm, wie Adam G. auf mir kniete. Aber er holt nicht seinen Pimmel aus der Hose. Er zieht Handschellen hervor. Er biegt den Arm von Adam G. auf den Rücken, dass der aufschreit.
Adam G. schreit, wie ich geschrien habe.
Der erste Mann kommt wieder zu mir herüber. Er ist ganz aufgeregt.
»Was ist passiert?«, fragt er.
Ich weiß nicht, was er meint. Es ist viel passiert. Was soll ich sagen?
»Er hat mich mitgenommen«, sage ich. »Ich wollte das nicht, aber er hat es trotzdem getan.«
Da hinten liegt Adam G. auf dem Boden. Ich glaube, er kann nicht aufstehen. Ich glaube, er kann nicht rüberkommen und mir etwas tun. Ich glaube, die beiden Männer sind stärker als er. Aber es sind keine Polizisten. Ich weiß nicht, was sie von mir wollen.
»Hat er dir wehgetan?«, fragt der Mann. »Hat er dir zwischen die Beine gelangt?«
In diesem Augenblick geschieht etwas. Irgendwo in mir entsteht ein Riss, und etwas zerbricht. Auf einmal ist mein Gesicht furchtbar nass, und ich habe eine Scheißangst und schäme mich so, und ich hasse hasse hasse diesen Mann auf dem Boden, und ich will nach Hause, ich will wieder nach Hause, ich will endlich nach Hause!
Ich weiß nicht, ob der Mann mich verstehen kann unter all dem Geschluchze.
»Ich will nach Hause. Ich will nach Hause. Bitte. Bitte. Lassen Sie mich nach Hause!«
Die Kamera ist eingepackt, der Film ist abgedreht, jetzt beginnt die Postproduktion. So nennen das die Filmemacher, wenn sie ins Studio gehen und aus den vielen Schnipseln einen Film basteln. Mich braucht man dazu nicht. Ich habe meine Schuldigkeit getan. Auf einmal habe ich viel Zeit. Eigentlich könnte ich jetzt weiter nach einem Job suchen. Doch ich erinnere mich an den Drehtag im Hotel, als ich dachte: Ich will nicht länger bedienen. Ich suche nicht. Ich schlafe länger als sonst. Ich verbringe viel Zeit vor dem Fernseher. Ich gehe aus. Ab und zu schreibe ich ein paar Erinnerungen auf. Auch das wird weniger.
Und dann klingelt das Telefon. Dieses Mal ist es eine Frau, und sie hat von mir gehört. Sie hat von mir gelesen. Sie hat mich im Fernsehen gesehen. Sie fragt, ob ich daran gedacht habe, ein Buch zu veröffentlichen.
Irgendwo da oben muss es jemand geben, der eine schützende Hand über mich hält.
Ich sage: »Das habe ich in der Tat. Aber ich bin Kellner und kein Schriftsteller.«
»Könnten Sie sich vorstellen, mit jemandem zusammenzuarbeiten?«
Mittlerweile kann ich mir eine Menge vorstellen. Ich sage: »Klar, vielleicht sollten wir uns vorher treffen.« Ich muss grinsen, weil ich das Gleiche sage wie die Journalisten. Ich habe allerhand gelernt in den letzten Monaten.
Und so sitze ich ein paar Wochen später wieder im Starbucks am Wiesbadener Hauptbahnhof. »An einem Buch zu arbeiten«, erklärt der Schriftsteller, »ist anders als die Arbeit an einem Film. Die Kamera nimmt Sie auf. Beim Buch sind Sie die Kamera. Sie müssen sich alles genau anschauen. Denn es ist Ihr Buch. Nicht der Film von jemand anders.«
Auf einmal spüre ich, dass es dann wirklich ernst wird. Ohne
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