Schockstarre
sprühte. Er zirkelte einen Löffel auf eine Untertasse und wartete mit wippenden Zehenspitzen auf den Milchschaum. »Sie sind schon länger im Geschäft?«
Katinka machte sich nichts vor. Selbstverständlich hatte Schilling sie überprüft. Um seine Eitelkeit zu befriedigen, sagte sie einfach:
»Genau. Seit gut zweieinhalb Jahren.«
»Schön, schön.« Er setzte seine Lesebrille auf, um den Kakao punktgenau auf die Milchkapuze zu stauben.
»Voilà«, sagte er und positionierte die Tasse vor Ka-tinka. Ein betörend würziger Duft stieg auf.
»Wunderbar«, lobte sie. Allein das Aroma belebte ihre Nervenenden, noch bevor der Kaffee ihren Magen, geschweige denn das Koffein ihr Gehirn erreicht hatte. »Ich bin einigermaßen anspruchsvoll, was Kaffee betrifft«, fügte Katinka hinzu. »Ursprünglich stamme ich aus Wien. Jedenfalls habe ich meine frühe Kindheit dort verbracht. Aber das wissen Sie sicherlich.«
Schilling, der nun aufmerksam durch die Brille spähend den zweiten Cappuccino produzierte, sah auf. In seinen Augen spiegelte sich Überraschung, aber auch eine gewisse Amüsiertheit, so als sehe er einem Magier zu, dessen Kunststücke er zwar kannte, von denen er sich aber immer wieder gern bezaubern ließ. Er balancierte seine Tasse zum Schreibtisch und nahm Katinka gegenüber Platz.
»Sie haben Frank Mendel nicht gekannt?«
Katinkas Magen knurrte böse.
»Nein. Ich habe den Namen heute zum ersten Mal gehört.«
»Er arbeitete in einer Werbeagentur«, erläuterte Schilling. » Agentur Fenering – Text und Design .«
»Fenering? Der Name des Inhabers?«
»Und Gründers. Dort wird nicht nur Werbung gemacht, sondern auch PR für größere Unternehmen, vornehmlich aus dem Dienstleistungsbereich. Außerdem kann man sich an die Agentur wenden, wenn man einen Ghostwriter sucht.«
»Einen Ghostwriter?«
Wieder randalierte Katinkas Magen. Schilling stand auf, streckte den Kopf aus der Tür und rief etwas. Dann kam er zurück und sagte:
»Meine Sekretärin bringt Ihnen etwas zu essen. »
Katinka musste sich konzentrieren, um nicht rot zu werden. Gleichzeitig wunderte sie sich, dass die meisten Menschen, denen sie bei der Polizei begegnete, immer so schnell um ihr leibliches Wohl besorgt waren. Es konnte natürlich auch sein, dass ihr permanentes Magenknurren den Kommissar in seiner Konzentration störte.
»Wo waren wir? Ach ja, Ghostwriter. Das scheint ein einträgliches Geschäft zu sein. Ich habe vorhin, bevor wir uns trafen, mit dem Chef der Agentur gesprochen. Edgar Fenering. Er hat selbst ganz klein begonnen. Sie werden lachen, wenn Sie hören, womit: als Ghostwriter.«
Die Tür öffnete sich und eine Frau im Kostüm kam herein und stellte Katinka einen Teller mit Keksen hin.
»Danke«, sagte Katinka verdutzt.
»Probieren Sie mal, echte Coburger Schmätzchen. Unser Hofgebäck, das haben schon die Monarchen zu schätzen gewusst.«
Der süße, würzige Geruch nach Zimt, Nelken und vielen anderen Herrlichkeiten aus der Backstube ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Sekretärin nickte freundlich, und Schilling grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Tja, die Herzöge haben der Stadt nicht nur fantastische Bauwerke hinterlassen, sondern auch kulinarische Köstlichkeiten.«
Es klopfte an der Tür. Ein blonder Lockenkopf wurde sichtbar, und eine fröhliche Frauenstimme rief:
»Wolf, hast du …? O, Entschuldigung. Ich komme später wieder.«
Schilling schickte ein Lächeln durch den Raum. Ein Lächeln, das man nur für bestimmte Menschen locker macht. Olàlà, dachte Katinka und knabberte an ihrem Schmätzchen.
»Sie haben doch Geschichte studiert«, sagte Schilling nun und sah Katinka über den Rand seiner Brille an. »Und Archäologie außerdem. Sicher kennen Sie die historischen Verwicklungen unserer bedeutenden europäischen Stadt.«
Katinka wiegte den Kopf, schluckte ihren Bissen hinunter und sagte:
»Nicht mehr in allen Einzelheiten. Aber Sie haben Verwandtschaft in den Königshäusern ganz Europas: in England, Bulgarien, Schweden, Belgien …«
»Nun, nicht ich. Aber das Coburger Herzogshaus. Sicher. Nicht zu vergessen Portugal und außerdem die Romanows. Ein Enkel von Katharina der Zweiten heiratete die Coburger Prinzessin Juliane, was allerdings mehr als zweihundert Jahre her ist. Zurück zu Mendel.«
Katinka rief ihre Gedanken zur Ordnung.
»Mendel arbeitete als Texter in der Agentur?«
»Genau. Er hat eine Frau und drei Kinder, die alle noch zur Schule gehen.«
Katinka
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