Schockstarre
hatte nur nicht die leiseste Ahnung, wie.
»Hatte Frank Mendel in der Agentur eigentlich wirkliche Vertraute? Außer Ihrem Mann?«
»Dass Udo ein Vertrauter von Frank gewesen wäre, bezweifle ich«, seufzte Edith Hartmann. »Mendel hatte so etwas Leichtlebiges an sich.« Sie presste die Lippen zusammen und schwieg.
»In Sachen Frauen?«
»Auch in Sachen Geld!« Edith Hartmann bestellte sich ein Mineralwasser. »Schade um ihn. Seine Frau macht jetzt allerdings Gewinn.«
»Wie bitte?«
»Ach, hat Mendel Ihnen das gar nicht gesagt?« Edith Hartmanns Gesichtsausdruck verriet für einen Moment Argwohn. »Sie wissen aber nicht viel über Ihren Bekannten. Er wollte sich scheiden lassen.« Ihr Blick wurde umgehend weicher. »Maria brauchte wohl sehr lange, um Franks Affären hinzunehmen. Aber bevor es nun zu einer Scheidung kommt, ist sie Witwe und erbt. Und sie ist ja jemand, der genau weiß, wofür man Geld ausgeben kann, o ja.«
Der Kellner brachte das Wasser. Er drehte sein linkes Handgelenk vor Ediths Augen hin und her und deutete vielsagend auf seine Uhr.
»Schon gut. Wir bleiben nicht mehr so lange.«
Uff, dachte Katinka. Sie versuchte, durch die Panoramascheibe in die Nacht hinauszusehen, erkannte aber nur sich selbst und Edith Hartmann, die nun schweigend ihr Mineralwasser trank.
»Steckt eine andere Frau dahinter?«, wollte Katinka wissen. »Will er eine andere heiraten?«
»Erraten. So sind sie, die Männer.« Edith Hartmann lachte ihr klares, fröhliches Lachen.
»Wen denn?«
»Ein flippiges Mädchen, Ende zwanzig, also um einiges jünger als Mendel. Alissa Herbst heißt sie.«
Katinka suchte ihren Geldbeutel heraus und winkte dem Kellner.
»Wissen Sie, für wen Frank Mendel im Augenblick als Ghostwriter tätig war?«
»Nein, keine Ahnung. Aber seine Frau müsste das wissen. Oder Alissa. Ja, eher Alissa.«
»Naja, ist ja auch nicht so wichtig«, sagte Katinka angelegentlich und zahlte. »Ich muss weiter. Es war nett, mit Ihnen gesprochen zu haben.«
Edith Hartmann lächelte und bestellte sich noch einen Cognac. »Wiedersehen, Frau Palfy. Hat mich gefreut.« Als Katinka sich an der Tür nach ihr umsah, sah sie das Funkeln in Edith Hartmanns Augen.
8. Zwei Frauen
Montag, 10. 1. 2005, 18:15 Uhr
Draußen hatte es zu schneien begonnen. Feine, zarte Flocken fielen dicht an dicht. Katinka klapperten die Zähne, als sie in die Kälte trat. Sie überquerte die Straße im Laufschritt, ohne an der Ampel auf Grün zu warten. Gleich beim Großparkplatz am Anger fand sie die nächste Telefonzelle. Alissa Herbst war inklusive Adresse eingetragen. Probstgrund, dachte Katinka. Komischer Name für eine Straße.
Sie hielt ein Taxi an. Der Fahrer klemmte schlecht gelaunt hinter dem Steuer. Katinka spürte, dass er einen Umweg fuhr, sagte aber nichts und bezahlte schweigend sieben Euro fünfzig.
Auf ihr Klingeln öffnete eine schmale, dunkelhaarige Frau. Katinka schätzte sie auf Ende zwanzig.
»Alissa Herbst?«
»Ja, bitte?«
»Katinka Palfy.« Katinka fummelte nach ihrer Lizenz, aber Alissa winkte ab.
»Kommen Sie rein.«
Sie führte Katinka in eine kleine, gemütlich eingerichtete Wohnung. Katinka fielen Stapel leerer Umzugskartons auf.
»Ziehen Sie aus?«, fragte sie.
»Ich wollte, ja. Frank und ich wollten … Aber daraus wird ja jetzt wohl nichts. Dabei habe ich die Wohnung hier schon gekündigt.«
Katinka fielen Alissas rote Lidränder auf, die zerdrückte Kleidung, das zerzauste Haar.
»Entschuldigen Sie, wenn ich störe, aber …«
»Schon o.k. Wann kann Frank beerdigt werden?«
»Das … weiß ich nicht.«
»Ach. Sie sind nicht von der Polizei?«
Feindselig lehnte Alissa sich gegen ihre Pappkartons.
»Nein. Ich bin eine Bekannte von Frank. Von früher.«
Das Misstrauen verstärkte sich. Alissa fuhr sich unwirsch durchs Haar.
»Was wollen Sie dann von mir? Die von der Polizei haben mir versichert, ich würde so schnell wie möglich wegen der Beerdigung Bescheid bekommen.«
»Das dauert bestimmt nicht mehr lange«, versicherte Katinka, rasch und mit schlechtem Gewissen. »Ich bin hier, weil ich gerne Frank Mendels Ghostwriting-Projekt übernehmen würde.«
»Das mit dem General?« Alissa tupfte sich die Augen.
»Ja«, sagte Katinka ohne die geringste Ahnung, wovon die Rede war.
»Ich weiß nicht mal, wie der heißt. Die Unterlagen müssten auf seinem Rechner sein.«
»Hat er bei Ihnen keine Daten gesichert? Ich meine, keiner von uns vertraut nur auf einen einzigen
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