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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Häubchen auf. Der Mörder war vermutlich über das niedrige Geländer gestiegen und hatte die Pistole durch das Gitter am Eingang geworfen. Nachdenklich ging Katinka um das Bauwerk herum und leuchtete die goldene Inschrift an der Seite ab. Franz Friedrich Anton, regierender Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Er war 1806 im Alter von 56 gestorben. Die Herzogin hatte ihn um beinahe 30 Jahre überlebt.
    Katinka folgte dem Pfad Richtung Festung. Die Burg war beleuchtet, ihre massigen Mauern saßen wie eine steinerne Krone über der Stadt. Aus dem Geschichtsstudium wusste sie, dass die genauen baulichen Ursprünge der Veste Coburg nicht feststanden, doch ihre heutige Ausdehnung musste die Anlage spätestens im 13. Jahrhundert erreicht haben. Katinka spürte, wie die stumme Anwesenheit der mächtigen Festung ihr Respekt einflößte. Sie überquerte eine Lichtung. Der Weg mündete in eine Treppe, hier begann der Baumbestand wieder. Sie drehte sich einige Male um die eigene Achse. Der Schnee erhellte die Nacht mit seinem silbrigen Glimmen, magisch fast, und doch angsteinflößend.
    Hier. Hier mochte es gewesen sein. Der Mörder wartete auf das Opfer, nicht beim Weg, weiter hinten, abseits. Katinka stapfte durch den Tiefschnee, weg von den Treppen. Unter Bäumen hatte er Schutz gesucht. Er musste gewusst haben, dass Mendel hier entlangkommen würde. Mitten in der Nacht verirrte sich niemand durch Zufall hierher, schon gar nicht bei dieser Eiseskälte. Der Mörder mochte sein Opfer bestellt haben. Ein Treffen veranschlagt haben, das für Mendel zur Falle wurde. Sie konnte so gut wie sicher annehmen, dass Mendel seinen Mörder gekannt hatte. Mendel war nicht dem Wetter angemessen gekleidet gewesen. Er trug nur ein Hemd unter dem Mantel. Kein Unterhemd. Lag vielleicht schon im Bett, schlief, jemand rief ihn an, trieb ihn zur Eile, Mendel machte sich auf, zu diesem einsamen und unwirtlichen Treffpunkt. Zu einer absolut unchristlichen Zeit an einem kalten Ort. So kalt wie jetzt. Äste knackten. Ein feiner Wind wirbelten Schneeflocken in Katinkas Gesicht.
    »Folgende Fragen«, murmelte Katinka und erschrak vor ihrer eigenen Stimme in der Finsternis. »Wer? Warum? Und wieso mit meiner Waffe?«
    Sie fuhr zusammen. Schnee fiel von einem Baum. Er ging knapp neben Katinka nieder, feine, eisige Gischt besprühte ihr Gesicht und Nacken. Sie blickte in Gedanken versunken über die weite Lichtung. Fußstapfen, Abdrücke, Indizien aller Art gab es hier nicht mehr. Seidenweich hatte der Schnee die Hinterlassenschaften der Nacht zugedeckt. Selbst der cleverste Kriminaltechniker würde nichts mehr finden, was Aufschluss über den Mord gab.
    Katinka ging langsam den Berg wieder hinunter. Vielleicht vierzig Meter. Fünfzig. Sechzig. Sie fror, ausgekühlt vom Herumstehen. Ihre Jeans, nass bis zum Knie, klebten an ihren Beinen.
    Mitten auf der Lichtung blieb sie stehen und sah zurück zum Waldrand. Längst hatte sie ihre Lampe ausgeknipst. Milchweiß glänzte der Schnee. Immer dichter kam die Flocken vom Himmel. Katinka kniff die Augen zusammen, folgte ihren eigenen Fußstapfen den Hang hinauf. Eine Bewegung hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Seit sie Kontaktlinsen trug, sah sie sogar in der Nacht besser. Irritiert suchte sie die Bäume ab.
    Jemand stand dort oben. Genau an dem Punkt, wo der Baum seine Schneelast abgeschüttelt und sie erschreckt hatte. Instinktiv bewegte sich ihre Hand zum Pistolenholster, hielt aber auf halbem Weg inne. Da steckte keine Waffe.
    Ihr Herz raste. Sie gab ein wunderbares Ziel ab. Jeder halbwegs gute Schütze könnte sie treffen. Trotz der Dunkelheit. Auf der silbrig schimmernden Schneefläche zeichnete sich jeder Mensch ab wie ein Pappkamerad.
    »Hallo!«, rief Katinka hinauf.
    Sie vergaß die Kälte. Angreifen oder weglaufen. Warum ausgerechnet meine Pistole.
    Diese Sache hier musste sie durchstehen. Der Mord hatte mit ihr zu tun, auch wenn das verknüpfende Band nicht eindeutig war, vielleicht einem Zufall oder einer guten Gelegenheit geschuldet.
    »Hallo!«, schrie sie nun lauter und kämpfte sich durch den Schnee bergauf.
    Der Unbekannte drehte sich um und strebte den Berg hinauf.
    »Warten Sie! Augenblick!«, rief Katinka und stürmte der fliehenden Gestalt über die Treppen nach. Sie kam ins Keuchen. Wenigstens wurde ihr warm dabei. Sie erreichte den Spaziergänger genau an der Stelle, wo ein breiter Weg auf den Pfad traf, den sie genommen hatte. Sie schaltete ihre Taschenlampe ein und prallte zurück.
    Der

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