Schockstarre
Computer.«
»Kann schon sein.« Alissa Herbst ging Katinka voraus ins Wohnzimmer. Am Fenster stand ein mikroskopischer Schreibtisch, darauf ein altmodischer Bildschirm. »Wollen Sie übrigens ablegen? Also, falls Frank etwas hier auf meine Platte geladen hat, bin ich froh, wenn ich es loswerde. All die Stunden, die er mit dem Typ verbracht hat, um Storys von Tod und Verwüstung und Taliban zu hören.«
»Taliban?«
»Na, der war doch in Afghanistan.«
Vorsicht, mahnte sich Katinka. Nicht zu früh einhaken. Warte, was sie noch zu sagen hat.
»Seine Erinnerungen müssen so schrecklich sein, dass er es nicht geschafft hätte, mit ihnen fertig zu werden. Sagte Frank jedenfalls. Also brauchte er einen Ghostwriter, der stellvertretend für ihn den ganzen Quatsch loswird.«
Alissa hatte den Rechner gestartet. Er arbeitete sehr langsam. Sie klickte eine Weile herum.
»Nein, da ist nichts. Sorry. Aber Frank hat bei mir eigentlich nie an diesen Geschichten gearbeitet. Bloß erzählt hat er, von seinem General.«
»Macht nichts«, sagte Katinka. Einer plötzlichen Eingebung folgend fragte sie:
»Sagen Sie, das mit den Drogen, das war definitiv vorbei, oder?«
»Drogen?« Alissa Herbst schnaubte. »Wollen Sie behaupten, Frank hätte Drogen genommen? Wer kommt denn auf die Idee! Völlig abstrus. Er war bis unter die Schädeldecke zugeknallt mit Arbeit. Agentur, private Schreibaufträge … Frank brauchte alle Kraft, um seine Projekte auf die Reihe zu kriegen. Für Drogen hätte er garantiert keine Zeit gehabt.«
»Danke, Frau Herbst«, sagte Katinka und reichte der anderen die Hand, während sie noch über diesen Aufbruch nachdachte. »Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie ausgerechnet heute noch gestört habe.«
Alissa zuckte die Achseln.
»Ist sowieso schon alles …« Sie brach ab und biss sich auf die Lippen. Tränen hingen in ihren Wimpern. »Wir wollten in eine Großstadt ziehen. Frank hatte genug von Coburg. Von der Provinz, wie er sich ausdrückte. Er hat es nicht abwertend gemeint. Hier sah er nur keine Heimat mehr für sich.«
»Sie haben auch keine Vorstellung, wer ihn umgebracht haben könnte?«
»Pah! Von wegen! Mehr als einer. Hartmann zum Beispiel. Außerdem seine Frau, Maria. Und … vielleicht Gruschka.«
Vor Anstrengung, alles im Kopf zu behalten, kniff Katinka die Lider zusammen.
»Hartmann? Aber die beiden waren doch ein gutes Team!«
»Denkste Puppe«, widersprach Alissa. »Ihre Kampagnen liefen gut. Aber privat konnten die nicht miteinander. Hartmann ist ein Mistkerl, ein richtiger Widerling. Keiner kann ihn leiden. Kein Wunder, er poltert ohne jeden Grund los, macht die Leute fertig, wenn ihm was nicht passt, ist in seinen Ansichten stur wie ein Gummiknüppel. Nicht mal mit der neuen Graphiksoftware will er sich abgeben. Aussehen tut er wie eine Mischung aus Zuchtochse und Dorfdepp.«
Katinka unterdrückte ein Grinsen.
»Hartmann war immer nur neidisch auf Frank«, machte Alissa weiter. »Selber unflexibel, aber den anderen die Erfolge nicht gönnen.«
Katinka rief sich Edith Hartmanns funkelnde Augen in Erinnerung. Kaum vorstellbar, dass sie mit einem echten Kotzbrocken verheiratet war.
»Und Gruschka?«
»Ich weiß nicht viel darüber. Aber Gruschka ist aus der Agentur ausgestiegen, und soviel ich gehört habe, unter anderem deshalb, weil er mit Frank nicht klarkam. Es gab Gerüchte über Mobbing. Frank hätte Gruschka rausgemobbt. Ich glaube das nicht. Wirklich nicht. Sowas macht Frank nicht. Hat er auch nicht nötig. Er ist gut im Job. War gut.«
Wieder presste Alissa Herbst die Lippen zusammen.
»Aber dass seine Frau ihn umbringt, das kann ich mir wiederum nicht vorstellen«, sagte Katinka schnell. Der Schock in Alissas Gesicht über den Tod ihres Geliebten tat ihr beinahe körperlich weh. Das Atmen wurde ihr schwer.
»Ich kann mir das durchaus vorstellen!«, sagte Alissa Herbst mit Nachdruck, nachdem sie sich gefasst hatte. »Ich habe es auch der Polizei gesagt. Aber die deuten das jetzt als Eifersuchtsszene der Geliebten, die ihren Traummann nicht mehr kriegt.«
»Er stand kurz vor der Scheidung, oder?«, erkundigte sich Katinka.
»Es hat lange genug gedauert, bis er sich durchringen konnte, sich scheiden zu lassen«, platzte Alissa heraus. »Zunächst behauptete er kategorisch, eine Scheidung käme ihm zu teuer. Seine Frau hat Ansprüche. Elegante Klamotten, teure Urlaube und so.«
»Was machen Sie eigentlich beruflich?«
»Och, mal dies, mal das. Zur Zeit arbeite ich als
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