Schockwelle
sämtliche Inseln hergefallen waren und schließlich die reichen Diamantenvorkommen auf Kunghit entdeckt hatten, setzte er seine ganze Macht und seinen Reichtum ein, um der Regierung das Land buchstäblich abzuluchsen. Wen kümmert’s, daß die Insel für uns Haida heiliger Stammesboden ist. Jetzt darf mein Volk sie ohne ausdrückliche Genehmigung nicht einmal mehr betreten, und selbst beim Fischfang müssen wir uns vier Kilometer von der Küste fernhalten. Bei Mißachtung dürfen uns die Mounties, die eigentlich zu unserem Schutz da sind, festnehmen.«
»Allmählich begreife ich, weshalb der Sicherheitschef der Mine so wenig Respekt vor dem Gesetz hat.«
»Merchant, ›der schmucke John‹, wie er genannt wird«, sagte Broadmoor, und aus seiner Miene sprach der pure Haß. »Glück gehabt, daß Sie entkommen sind. Sonst wären Sie wahrscheinlich einfach verschwunden. Viele Männer haben schon versucht, auf der Insel und in der näheren Umgebung Diamanten zu suchen. Keinen hat man je wieder gesehen.«
»Haben die Haida von den reichen Diamantenfunden etwas abbekommen?« fragte Pitt.
»Bislang hat man uns nur angeschmiert«, antwortete Broadmoor. »Ob etwas vom Erlös der Diamanten an uns gehen wird, ist inzwischen eher eine juristische als eine politische Frage. Wir haben jahrelang verhandelt, weil wir ein Stück vom Kuchen abbekommen wollten, aber Dorsetts Anwälte haben uns vor Gericht immer wieder hingehalten.«
»Ich kann kaum glauben, daß sich die kanadische Regierung von Arthur Dorsett Vorschriften machen läßt.«
»Das Land liegt wirtschaftlich darnieder. Die Politiker verschließen die Augen vor Schmiergeldzahlungen und Korruption, hätscheln zugleich aber jedes noch so absonderliche Projekt, das Geld in die Staatskasse bringt.« Er schwieg einen Moment und schaute Pitt in die Augen, als versuchte er dort etwas zu erkennen. »Und was haben Sie vor, Mr. Pitt? Wollen Sie die Mine stillegen?«
Pitt nickte. »Genau. Vorausgesetzt, ich kann beweisen, daß die dort praktizierten Fördermethoden die Schallwellen verursachen, die für den Tod so vieler Menschen und Meerestiere verantwortlich sind.«
Broadmoor schaute ihn an. »Ich werde Sie auf das Minengelände bringen.«
Pitt dachte kurz über das Angebot nach. »Sie haben Frau und Kinder. Warum zwei Menschenleben riskieren? Wenn Sie mich auf die Insel bringen, lass’ ich mir schon was einfallen, wie ich unbemerkt über die Abraumhalde komme.«
»Das geht nicht. Die haben hochmoderne Alarmanlagen. Da kommt nicht mal ein Eichhörnchen durch, wie die vielen kleinen Kadaver beweisen, mit denen die Halde übersät ist. Dazu kommen Hunderte von anderen Tieren, die auf der Insel lebten, ehe Dorsetts Bergbaufirma die einstmals sehr schöne Landschaft verwüstete.
Außerdem sind da noch die deutschen Schäferhunde, die jeden Eindringling und Diamantenschmuggler aus hundert Metern Entfernung wittern.«
»Bleibt immer noch der Tunnel.«
»Da kommen Sie alleine niemals durch.«
»Das Risiko nehme ich auf mich. Lieber so, als daß auch Ihre Frau zur Witwe wird.«
»Sie verstehen mich nicht«, sagte Broadmoor geduldig, doch seine Augen sprühten förmlich vor Rachedurst. »Mein Dorf wird von der Förderfirma dafür bezahlt, daß es ihre Küche mit frischem Fisch versorgt. Einmal pro Woche fahren meine Nachbarn und ich nach Kunghit und liefern unseren Fang ab.
Wir verladen die Fische am Kai auf Karren und bringen sie durch den Tunnel zur Kantine. Der Chef koch setzt uns ein Frühstück vor, gibt uns das Geld – nicht annähernd so viel, wie der Fang wert ist –, und danach brechen wir wieder auf. Sie haben schwarzes Haar. Wenn Sie sich als Fischer verkleiden und den Kopf einziehen, könnten Sie als Haida durchgehen. Die Posten achten vor allem darauf, daß keine Diamanten aus dem Camp geschmuggelt werden. Da wir nur Fische anliefern, ohne etwas mitzunehmen, sind wir nicht verdächtig.«
»Gibt’s denn für Ihr Volk keine gutbezahlten Jobs in der Mine?«
Broadmoor zuckte die Achseln. »Wer den Fischfang und die Jagd aufgibt, verliert seine Unabhängigkeit. Das Geld, das wir mit unseren Lieferungen verdienen, fließt in eine neue Schule für unsere Kinder.«
»Es gibt da ein kleines Problem. Der schmucke John Merchant. Wir konnten einander auf Anhieb nicht ausstehen.
Und er hat mein Gesicht aus nächster Nähe gesehen.«
Broadmoor winkte lässig ab. »Sie brauchen keine Angst zu haben, daß Merchant Sie wiedererkennt. Der denkt nicht daran, sich im
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