Schockwelle
Tunnel oder in der Küche herumzutreiben und seine teuren italienischen Schuhe dreckig zu machen. Bei diesem Wetter verläßt er so gut wie nie sein Büro.«
»Vom Küchenpersonal werde ich aber nicht allzuviel erfahren«, sagte Pitt. »Kennen Sie vielleicht vertrauenswürdige Bergleute, die Näheres über die Fördermethoden berichten könnten?«
»Sämtliche Schürfer sind Chinesen, die von Verbrechersyndikaten illegal eingeschleust wurden. Keiner kann Englisch. Ihre einzige Hoffnung ist ein alter Bergbauingenieur, der Dorsett Consolidated von Herzen haßt.«
»Können Sie an ihn rankommen?«
»Ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Er arbeitet auf Nachtschicht und frühstückt gerade, wenn wir unseren Fisch anliefern. Wir haben uns ein paarmal bei einer Tasse Kaffee unterhalten. Er findet die Arbeitsbedingungen alles andere als angenehm. Bei unserem letzten Gespräch hat er behauptet, im vergangenen Jahr wären über zwanzig chinesische Arbeiter in der Mine umgekommen.«
»Ich würde gern zehn Minuten mit ihm allein zusammensein.
Er könnte uns vielleicht helfen, dieses rätselhafte akustische Phänomen zu klären.«
»Ich kann aber nicht garantieren, daß er da ist, wenn wir mit unserer Lieferung eintreffen«, sagte Broadmoor.
»Ich muß es darauf ankommen lassen«, sagte Pitt nachdenklich. »Wann liefern Sie den nächsten Fang?«
»In ein paar Stunden müßten die letzten Boote einlaufen.
Heute abend verstauen wir den Fang in Kisten, packen ihn auf Eis und fahren morgen in aller Frühe nach Kunghit.«
Pitt fragte sich, ob er körperlich oder geistig schon wieder so weit hergestellt war, daß er sein Leben erneut aufs Spiel setzen konnte. Doch dann dachte er an die vielen Toten, die er auf dem Kreuzfahrtschiff gesehen hatte, und er wußte ganz genau, was er tun mußte.
22
Sechs kleine, kunterbunt bemalte Fischerboote, auf deren Decks die Holzkisten mit den auf Eis gepackten Fischen gestapelt waren, liefen Rose Harbour an. Leise tuckerten die Dieselmotoren vor sich hin, und aus den hohen Auspuffstutzen drangen dünne Abgaswolken. Über dem Wasser hing ein Dunstschleier, der ihm eine graugrüne Farbe verlieh. Halbrund stand die Sonne im Osten am Horizont, und der Wind strich mit weniger als fünf Knoten über das Meer. Die See war ruhig, und nur gelegentlich spritzte Gischt über den Bug der Boote, die gemächlich durch die sanfte Dünung pflügten.
Broadmoor kam zu Pitt. Dieser hatte sich am Heck niedergelassen und beobachtete die Möwen, die über dem Kielwasser des Bootes durch die Luft karriolten und auf einen Leckerbissen hofften.
»Wird Zeit für Ihren Auftritt, Mr. Pitt.«
Pitt konnte Broadmoor beim besten Willen nicht dazu bewegen, ihn Dirk zu nennen. Er nickte und tat so, als schnitzte er eine Nase aus der halbfertigen Maske, die der Haida ihm geliehen hatte. Er trug eine Hose aus gelbem Ölzeug, deren Träger er über den dicken, von Irma Broadmoor gestrickten Pullover gestreift hatte, und eine Pudelmütze, die er bis auf die dichten schwarzen Augenbrauen heruntergezogen hatte. Da Indianer bekanntlich kaum Bartstoppeln haben, hatte er sich noch einmal tüchtig rasiert. Ohne aufzublicken, schrappte er mit der stumpfen Seite des Messers über die Maske und betrachtete lediglich aus den Augenwinkeln den langen Kai nicht etwa ein kleiner Pier, sondern ein mit Pollern bestückter Anlegesteg für richtig große Schiffe –, der immer höher aufragte, als die Boote in den Hafen einliefen. Auf der einen Seite des Kais stand ein großer, auf Schienen rollender Kran zum Be- und Entladen von Hochseedampfern.
Ein eindrucksvolles Schiff mit ungewöhnlich elegantem Umriß und abgerundeten Aufbauten, wie Pitt sie noch bei keiner Luxusjacht gesehen hatte, war am Kai vertäut. Dem hypermodernen Doppelrumpf aus Fiberglas nach zu urteilen, war sie sowohl schnell als auch komfortabel. Sie sah aus, als könnte sie mit mehr als achtzig Knoten durch das Wasser pflügen. Aufgrund von Giordinos Beschreibung mußte es sich bei dieser hochseetüchtigen» raumschiffartigen Konstruktion um das Boot handeln, das sich mit hoher Fahrt von dem Frachter
Mentawai
entfernt hatte. Pitt hielt Ausschau nach dem Namen und dem Heimathafen, die normalerweise am Heckspiegel stehen, doch der wunderschöne, saphirblaue Schiffskörper trug keinerlei Schriftzug.
Die meisten Eigner verweisen voller Stolz auf den Namen und Heimathafen ihres Schiffs, dachte Pitt. Aber er konnte sich durchaus vorstellen, weshalb Arthur Dorsett seine Jacht
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