Schockwelle
immer unmittelbar neben dem Mittelstreifen blieben. Da der Wagen keinen Tachometer hatte, konnte er die Geschwindigkeit lediglich schätzen. Aber er nahm an, daß sie etwa hundertneunzig bis zweihundert Stundenkilometer fuhren. Das alte Auto gab sein Bestes.
Maeve, die vom Sicherheitsgurt gehalten wurde, drehte sich um. »Sie holen auf!« schrie sie ihm durch den Lärm zu.
Pitt warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Der Verfolger war bis auf hundert Meter herangekommen. Der Fahrer war nicht schlecht, fand er. Reagierte genauso schnell wie er selbst. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Straße.
Sie kamen jetzt in eine Wohngegend. In den engen, von Häusern gesäumten Nebenstraßen hätte Pitt den Cadillac vielleicht abhängen können, aber das kam nicht in Frage. Viel zu gefährlich. Selbst zu so später Stunde konnten noch Leute unterwegs sein, die mit ihrem Hund Gassi gingen, und er dachte nicht daran, unschuldige Menschen über den Haufen zu fahren.
Es konnte nur noch ein, zwei Minuten dauern, bis der Verkehr dichter wurde und er langsamer fahren mußte. Aber im Augenblick war die Straße noch frei, und so raste er weiter dahin. Dann huschte ein Warnschild vorbei – ein Hinweis auf eine Baustelle auf der Landstraße, die an der nächsten Kreuzung nach Westen abzweigte.
Pitt kannte die Straße. Sie zog sich rund fünf Kilometer weit über Land, hatte zahlreiche scharfe Kurven und endete auf dem Highway, der an der CIA-Zentrale in Langley vorbeiführte.
Er nahm den rechten Fuß vom Gaspedal und trat voll auf die Bremse. Dann riß er das Lenkrad nach links und stellte den Allard quer, so daß er quietschend und mit qualmenden Reifen über den Asphalt schlitterte. Kurz bevor der Wagen stehenblieb, griffen die Hinterräder wieder, und der Allard schoß in die schmale Straße, die durch die stockdunkle Landschaft führte.
Pitt mußte sich jetzt voll und ganz aufs Fahren konzentrieren.
Die alten Monoblockscheinwerfer leuchteten die Straße nicht so weit aus wie moderne Halogenlampen, so daß er den Streckenverlauf eher erahnen mußte, als daß er ihn sah. Pitt liebte Kurven. Er bremste nicht ab, sondern driftete mit dem Wagen hindurch, richtete ihn dann wieder aus und raste in Ideallinie auf die nächste Biegung zu.
Jetzt war der Allard in seinem Element. Der Cadillac war zwar für einen Serienwagen recht hart gefedert, aber von der Aufhängung her konnte er mit dem viel leichteren, eigens für Rennen gebauten Sportwagen nicht mithalten. Pitt liebte den Allard über alles. Er hatte ein sicheres Gespür für das Verhalten des Autos, und er genoß seine schlichte Bauweise und die geschmeidige Kraft des schweren Motors. Den Mund zu einem knappen Grinsen verzogen, raste er wie der Teufel über die Landstraße. Er driftete durch die Kurven, ohne die Bremse auch nur anzutippen, und nur vor Haarnadelkurven schaltete er kurz herunter. Der Fahrer des Cadillac hielt unerbittlich mit, verlor aber mit jeder weiteren Kurve mehr Boden.
Dann blinkten vor ihnen die gelben Lichter der Baustellenabsicherung. Neben der Fahrbahn war ein offener Graben, in dem Rohre verlegt wurden, aber Pitt stellte erleichtert fest, daß die Straße nicht völlig gesperrt war. Ohne den Fuß vom Gas zu nehmen, schoß er über die etwa hundert Meter lange, nur mit Erdreich und Splitt befestigte Piste. Er freute sich diebisch, als er die riesige Staubwolke sah, die er aufgewirbelt hatte, wußte er doch, daß sie den Verfolger weiter aufhalten würde.
Nachdem sie noch zwei Minuten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Nacht gerast waren, deutete Maeve rechts nach vorn. »Ich sehe Scheinwerfer«, sagte sie.
»Das ist der Highway«, stellte Pitt fest. »Jetzt hängen wir sie endgültig ab.«
Die Kreuzung war frei, der nächste Wagen mindestens einen halben Kilometer entfernt. Mit qualmenden Rädern zog Pitt den Wagen scharf nach links, weg von der Stadt.
»Fahren wir nicht in die falsche Richtung?« schrie Maeve über das Quietschen der Reifen hinweg.
»Paß mal auf«, sagte Pitt, dann riß er das Lenkrad zurück, bremste sacht ab, wendete gemächlich und fuhr in entgegengesetzter Richtung weiter. Er kam an der Einmündung der Landstraße vorbei, bevor die Scheinwerfer des Cadillac in Sicht waren, gab dann Gas und fuhr auf die Lichter der Hauptstadt zu.
»Und was sollte das Ganze?« fragte Maeve.
»So was nennt man eine falsche Fährte legen«, sagte er aufgeräumt. »Wenn die Bluthunde so schlau sind, wie ich glaube, sehen
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