Schockwelle
und sah voller Entsetzen, daß die Dreiecksflosse sie nicht länger umkreiste, sondern auf sie zuhielt und langsam untertauchte. Seine Brust krampfte sich zusammen, während er ohnmächtig darauf wartete, daß sich scharfe Zähne in seinen Leib gruben.
Dann, ohne jede Vorwarnung, geschah ein weiteres Wunder.
Plötzlich begann das Wasser der bislang so ruhigen Lagune rund um sie zu kochen. Dann wurde eine gewaltige Fontäne emporgeschleudert, gefolgt von dem Weißen Hai. Die mörderische Bestie schlug wild um sich und schnappte mit ihrem furchterregenden Maul wie toll nach einer riesigen Seeschlange, die sich um sie geschlungen hatte.
Fassungslos starrten die an das Treibgut geklammerten Menschen auf die beiden Ungeheuer der Tiefe, die sich einen Kampf auf Leben und Tod lieferten.
Scaggs auf seinem Floßstück konnte das Ringen genau verfolgen.
Die gigantische, aalähnliche Kreatur hatte einen stumpfen Kopf und einen spitzen Schwanz. Ihr Leib war seiner Schätzung nach etwa achtzehn bis zwanzig Meter lang und dick wie ein großes Mehlfaß. Krampfhaft öffnete und schloß sie das Maul mit den spitzen Fangzähnen. Die Haut wirkte glatt und war an der Oberseite dunkelbraun, fast schwarz, am Bauch hingegen weiß wie Elfenbein.
Scaggs hatte viele Geschichten von Begegnungen mit derartigen Seeungeheuern gehört, doch er hatte immer darüber gelacht und sie als bloßes Seemannsgarn abgetan, Ausgeburten der Phantasie, nachdem man im Hafen dem Rum zu sehr zugesprochen hatte.
Jetzt lachte er nicht mehr, sondern verfolgte starr vor Staunen, wie der einstmals gefürchtete Scharfrichter sich wie wild wand und die tödliche Angreiferin vergebens abzuschütteln versuchte.
Der mächtige Knorpelfisch konnte den Kopf nicht weit genug nach hinten biegen, um seinerseits die Zähne in den Leib der Schlange zu schlagen. Trotz aller Kraft und sosehr er sich auch wand und zuckte, kam er nicht aus der tödlichen Umklammerung frei. In wilder Raserei rotierte er um die eigene Achse, verschwand mitsamt der Schlange unter Wasser, um kurz darauf in einer neuerlichen Gischtwolke aus dem schäumenden Wasser emporzuschießen.
Dann schlug die Schlange ihre Fänge in die Kiemenspalten des Hais. Wenige Minuten später war der Kampf der Giganten entschieden. Der verzweifelte Widerstand des Hais erlahmte, und die beiden Ungeheuer versanken langsam in den Tiefen der Lagune.
Der Jäger war seinerseits einer Jägerin zum Opfer gefallen.
Das gewaltige Ringen war kaum vorüber, als Scaggs die entkräfteten Sträflinge unverzüglich auf die noch immer miteinander vertäuten Überreste des Floßes zog. Benommen von dem soeben Erlebten, erreichten sie schließlich den weißen Sandstrand und torkelten an Land, wo sie aus ihrem Alptraum geradewegs in einen Garten Eden fanden, den vor ihnen noch kein europäischer Seefahrer erblickt hatte.
Kurz darauf entdeckten sie einen köstlich klaren Wasserlauf, der von dem an der Südspitze des Eilandes aufragenden Vulkan herabströmte. Fünf verschiedene Arten tropischer Früchte wuchsen in den Wäldern, und in der Lagune wimmelte es von Fischen. Die Zeit der Entbehrungen war vorüber, doch nur acht der ursprünglich zweihunderteinunddreißig Menschen, die mit dem Floß der
Gladiator
aufgebrochen waren, lebten noch und konnten von den Schrecken ihrer Irrfahrt unter einer glühenden Sonne inmitten der endlos weiten See berichten.
Sechs Monate nach dem tragischen Verlust der
Gladiator
erinnerte man sich ihrer kurz, als ein Fischer, der ein Leck an seinem kleinen Boot ausbessern wollte, an Land ging und eine aus dem Sand ragende Hand entdeckte, die ein Schwert hielt.
Als er sie ausgraben wollte, stieß er zu seiner Überraschung auf die lebensgroße Statue eines Kriegers aus alter Zeit. Er nahm das hölzerne Standbild in die fünfzig Meilen weiter nördlich gelegene Stadt Auckland in Neuseeland mit, wo man feststellte, daß es sich um die Galionsfigur des verschollenen Klippers
Gladiator
handelte.
Die Kriegerfigur wurde gereinigt, frisch lackiert und schließlich in einem kleinen Seefahrtsmuseum ausgestellt, dessen Besucher häufig davor stehenblieben und über das rätselhafte Verschwinden des Schiffes nachsannen.
Das Geheimnis des Klippers
Gladiator
wurde erst im Juli 1858 durch einen Artikel im
Sydney Morning Herald
gelöst.
RÜCKKEHR VON DEN TOTEN
Die Gewässer rund um Australien haben schon für manch merkwürdige Begebenheit gesorgt, doch keine war bislang so seltsam wie das plötzliche Wiederauftauchen
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