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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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wollte, erkrankte er.
    Ein paar Tage vor seinem Tod verlangte er seinen langjährigen Freund und ehemaligen Arbeitgeber Abner Carlisle zu sprechen.
    Carlisle, ein allseits geachteter Reeder, der gemeinsam mit seinem Kompagnon Alexander Dunhill ein beträchtliches Vermögen angehäuft hatte, war einer der angesehensten Bürger von Aberdeen.
    Neben der Schiffahrtsgesellschaft besaß er ein Handelskontor und eine Bank. Die Gelder, die er für wohltätige Zwecke stiftete, kamen vor allem der örtlichen Bibliothek und einem Krankenhaus zugute.
    Carlisle war schlank und drahtig, hatte eine Vollglatze und freund liche Augen. Er hinkte, seit er als junger Mann vom Pferd gestürzt war.
    Jenny, die Tochter des Kapitäns, die Carlisle seit ihrer Geburt kannte, ließ ihn ein. Sie schloß ihn kurz in die Arme und ergriff seine Hand.
    »Schön, daß Ihr kommt, Abner. Er verlangt alle halbe Stunde nach Euch.«
    »Wie geht’s dem alten Seebären?«
    »Ich fürchte, seine Tage sind gezählt«, erwiderte sie traurig.
    Carlisle blickte sich in dem behaglichen, nach Seemannsart eingerichteten Haus um, ließ den Blick auf den Karten an den Wänden verweilen, auf denen die jeweiligen Tagesleistungen bei Scaggs’ Rekordfahrten abgesteckt waren. »Dieses Haus wird mir fehlen.«
    »Meine Brüder meinen, es wäre zum Besten der Familie, wenn wir’s verkaufen.«
    Sie brachte Carlisle nach oben und führte ihn durch eine offene Tür in ein Schlafzimmer mit einem großen Fenster, von dem aus man auf den Hafen von Aberdeen blickte. »Vater, Abner Carlisle ist da.«
    »Wird auch Zeit«, grummelte Scaggs ungehalten.
    Jenny drückte Carlisle einen Kuß auf die Wange. »Ich geh’ uns rasch Tee machen.«
    Scaggs sah schlecht aus. Ein alter Mann, gezeichnet vom harten Leben, das er drei Jahrzehnte lang auf See geführt hatte.
    Aber die funkelnden, grüngrauen Augen, so stellte Carlisle bewundernd fest, leuchteten nach wie vor ungebrochen. »Ich habe ein neues Schiff für dich, Bully.«
    »Was du nicht sagst«, krächzte Scaggs. »Was für eine Besegelung?«
    »Gar keine. Es ist ein Dampfer.«
    Scaggs’ Gesicht lief rot an. Er hob den Kopf.
    »Gottverdammte Stinkpötte. Man sollte nicht zulassen, daß sie die Meere verschmutzen.«
    Auf diese Antwort hatte Carlisle gehofft. Bully Scaggs stand an der Schwelle des Todes, doch er würde sie ebenso unbeugsam überschreiten, wie er gelebt hatte.
    »Die Zeiten haben sich geändert, mein Freund. Die
Cutty Sark
und die
Thermopylae
sind die einzigen uns bekannten Klipper, die noch auf große Fahrt gehen.«
    »Ich hab’ nicht viel Zeit für müßige Plauderei. Ich habe dich hergebeten, weil ich dir auf dem Sterbelager ein Geständnis machen und dich persönlich um einen Gefallen bitten möchte.«
    Carlisle schaute Scaggs an und sagte spöttisch: »Hast du etwa einen Betrunkenen verprügelt oder in einem Bordell in Schanghai eine kleine Chinesin flachgelegt, ohne es mir zu beichten?«
    »Ich rede von der
Gladiator
«, grummelte Scaggs. »Ich habe gelogen.«
    »Sie ist in einem Taifun gesunken«, versetzte Carlisle. »Was gibt es dazu lügen?«
    »Sie ist in einem Taifun gesunken, schon richtig, aber die Passagiere und die Besatzung sind nicht mit ihr untergegangen.«
    Carlisle schwieg eine Weile, dann sagte er vorsichtig:
    »Charles Bully Scaggs, du bist der ehrlichste Mann, dem ich je begegnet bin. In den fünfzig Jahren, die wir uns kennen, hast du niemals auch nur einen Vertrauensbruch begangen. Bist du sicher, daß es nicht die Krankheit ist, die dir jetzt Hirngespinste vorgaukelt?«
    »Vertrau mir, wenn ich sage, daß ich achtzehn Jahre mit einer Lüge gelebt habe, um eine Schuld zu begleichen.«
    Carlisle musterte ihn neugierig. »Was möchtest du mir erzählen?«
    »Eine Geschichte, die ich noch niemandem erzählt habe.«
    Scaggs ließ sich auf das Kissen zurücksinken und starrte an Carlisle vorbei in die Ferne auf etwas, was nur er sehen konnte.
    »Die Geschichte vom Floß der
Gladiator

    Jenny kehrte eine halbe Stunde später zurück und brachte den Tee.
    Es dämmerte inzwischen, und so zündete sie die Petroleumlampen im Schlafzimmer an. »Vater, du mußt etwas essen. Ich habe deine Lieblingsfischsuppe gekocht.«
    »Ich habe keinen Appetit, Tochter.«
    »Abner hat bestimmt Hunger, nachdem er dir den ganzen Nachmittag zugehört hat. Ich wette, er ißt etwas.«
    »Laß uns noch eine Stunde Zeit«, befahl Scaggs. »Dann kannst du uns bringen, was du willst.«
    Sobald sie weg war, fuhr Scaggs mit

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