Schockwelle
nicht. Er reichte Pitt die Neunmillimeterautomatik, die sie John Merchant abgenommen hatten. »Wenn sie gewinnt, erschießt du sie.«
»Mit Vergnügen«, sagte Pitt und warf ihr einen mitleidlosen Blick zu.
Boudicca wirkte mit einemmal gar nicht mehr so zuversichtlich.
Sie feixte auch nicht mehr, denn diesmal erwartete sie kein Gegner, dem sie nach Belieben Schmerz zufügen konnte.
Diesmal kämpfte sie um ihr Leben, und sie gedachte jeden schmutzigen Straßenschlägertrick anzuwenden, den sie von ihrem Vater gelernt hatte.
Hier ging es nicht um einen sauberen Boxkampf oder um eine Runde Karate. Wie eine Wölfin brachte sie sich in Stellung, lauerte darauf, den einen tödlichen Hieb zu landen, war sich aber auch stets der Waffe in Pitts Hand bewußt.
»Dann bist du also auch von den Toten auferstanden«, fauchte sie.
»Ich habe ständig von dir geträumt«, sagte Giordino, spitzte die Lippen und schickte ihr einen Kuß zu.
»Jammerschade. So was zu überleben, nur um durch meine Hand zu sterben –«
Ein Fehler. Boudicca hatte eine halbe Sekunde mit sinnlosem Geschwätz vergeudet. Giordino griff sie an wie ein wilder Stier.
Mit angewinkelten Beinen sprang er Boudicca mitten in die Brust. Im ersten Moment krümmte sie sich vornüber und keuchte vor Schmerz, aber irgendwie hielt sie sich auf den Beinen und bekam Giordinos Handgelenke zu fassen. Sie warf sich rückwärts über den Schreibtisch, landete am Boden und zog ihn mit sich, so daß er mit ausgestreckten Armen scheinbar hilflos über der Platte lag.
Boudicca blickte zu Giordinos Gesicht auf. Nun, da sie ihr Opfer mit eisenhartem Griff festhielt, verzog sich ihr Mund wieder zu einem boshaften Grinsen. Sie drückte stärker zu, versuchte sein Handgelenk zu verbiegen und mit ihrer amazonenhaften Kraft zu brechen. Ein raffiniertes Manöver. Auf diese Weise konnte sie Giordino ausschalten, ihn zugleich als Schutzschild benutzen und den geladenen Revolver in ihren Besitz bringen, den ihr Vater in der untersten Schublade seines Schreibtisches aufbewahrte.
Pitt war zwar bereit, auf das erste Zeichen seines Freundes hin zu schießen, doch Boudicca war durch den Schreibtisch gedeckt, so daß er die Automatik nicht auf sie richten konnte. Er war ohnehin kaum bei Bewußtsein, hielt sich Mühe und Not auf den Beinen und war durch den Schlag auf die Stirn halb blind.
Maeve, die ihre Söhne umarmt hatte und ihnen die Augen zuhielt, schmiegte sich an ihn.
Giordino lag scheinbar hilflos da, als gäbe er sich kampflos geschlagen, während Boudicca seine Handgelenke langsam nach hinten drückte. Der Seidenüberwurf war von ihrer Schulter gerutscht, und Maeve, die ihre ältere Schwester noch nie unbekleidet gesehen hatte, starrte fassungslos auf deren breite, muskelbepackte Schultern. Dann fiel ihr Blick auf ihren Vater, der leblos auf dem Teppich lag. Sie wirkte schockiert ob seines unerwarteten Todes, aber Trauer merkte man ihr nicht an.
Und dann drückte Giordino langsam, als hätte er bislang seine Kräfte gespart, Unterarme und Hände wie beim Hantelnstemmen nach oben. Boudicca wirkte zunächst überrascht, dann verständnislos und schließlich ungläubig. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie sich mit aller Kraft gegen den unerbittlichen Druck zur Wehr setzte. Dann, mit einemmal, mußte sie nachgeben, und er war frei.
Sie stach sofort nach seinen Augen, aber Giordino hatte damit gerechnet und schlug kurzerhand ihre Arme weg. Ehe Boudicca sich wieder gefaßt hatte, war Giordino über dem Schreibtisch, ließ sich mitten auf ihre Brust fallen, hockte sich rittlings auf sie und drückte ihre Arme zu Boden. Boudicca trat und schlug um sich wie eine Besessene, doch der kleine Italiener hielt sie mit einer Kraft fest, die sie ihm niemals zugetraut hätte. Verzweifelt versuchte sie die Hand nach der Schreibtischschublade auszustrecken, in der der Revolver lag, doch Giordinos Knie drückten ihre Arme unerbittlich an den Körper.
Giordino spannte die Armmuskeln an, und im nächsten Moment hatte er die Hände an ihrem Hals. »Wie der Vater, so die Tochter«, grummelte er. »Geh mit ihm zum Teufel.«
Boudicca wurde auf einmal klar, daß es kein Entrinnen gab, keine Gnade. Sie war wie festgeschmiedet. Sie wand und wehrte sich krampfhaft, als Giordino ihr die Luft abdrückte. Sie versuchte zu schreien, brachte aber nur noch ein heiseres Röcheln zustande.
Dann verzerrte sich das Gesicht, ihre Augen traten aus den Höhlen, und sie lief blau an. Giordino, der
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