Schockwelle
Schalldämpfer versehene Waffe ging mit einem lauten
Plopp
los, und ein Stück von Dorsetts linkem Ohr flog auf den Teppich. »Und jetzt zur Treppe. Eine falsche Bewegung, und Sie kriegen eine Kugel ins Rückgrat.«
Dorsett ließ sich keinerlei Schmerz anmerken. Er stierte Pitt nur an und grinste dann. Es wirkte so bedrohlich, daß Pitt ein Schauder über den Rücken lief. Dann legte er langsam die Hand an sein zerfetztes Ohr und wandte sich zur Tür.
In diesem Augenblick schritt Boudicca in einem sich eng an den Körper schmiegenden Seidenüberwurf, der ihre majestätische Gestalt betonte und mehrere Zentimeter über dem Knie endete, ins Arbeitszimmer. Wegen der Uniform erkannte sie Pitt zunächst nicht, daher dauerte es einen Moment, bis sie begriff, in welcher Gefahr ihr Vater schwebte. »Was ist los, Papa? Ich dachte, ich hätte einen Schuß…« Dann bemerkte sie das Blut, das zwischen seinen Fingern hervorquoll. »Du bist verletzt!«
»Wir haben ungebetene Gäste, Tochter«, sagte Dorsett. Er wußte genau, fast so, als hätte er Augen im Hinterkopf, daß Pitt für kurze Zeit nur auf Boudicca achtete. Und sie ließ ihn nicht im Stich, wenn auch ohne es zu wissen. Als sie zu ihm stürzte, um sich die Wunde anzusehen, fiel ihr Blick auf das Gesicht des Wachmanns. Einen Moment lang wirkte sie verdutzt, dann, als sie Pitt erkannte, riß sie die Augen auf.
»Nein… nein, das ist unmöglich.«
Auf diese kurze Ablenkung hatte Dorsett gewartet. Er fuhr jählings herum, schlug wild um sich, erwischte den Lauf des Gewehres und fegte es beiseite.
Pitt drückte unwillkürlich ab. Ein Kugelhagel prasselte auf das Gemälde von Charles Dorsett, das über einem offenen Kamin hing.
Pitt, der nicht in bester körperlicher Verfassung war und sich mangels Schlaf kaum noch auf den Beinen halten konnte, reagierte einen Sekundenbruchteil langsamer als gewöhnlich.
Die Mühen und Anstrengungen der letzten drei Wochen forderten ihren Tribut. Wie in Zeitlupe sah er zu, wie ihm das Sturmgewehr aus den Händen gerissen und quer durchs Zimmer aus dem Fenster geworfen wurde.
Dorsett stürzte sich wie ein wildgewordenes Rhinozeros auf Pitt.
Pitt ging in den Clinch, kämpfte um festen Stand. Doch Dorsett war schwerer, und seine Fäuste droschen wie Dampframmen auf ihn ein. Zudem stach er immer wieder mit dem Daumen nach Pitts Augen. Pitt rettete sein Augenlicht, fing sich aber einen Treffer knapp über dem Ohr ein. Einen Moment lang sah er nur noch Sterne, dann wurde ihm schwindlig.
Verzweifelt duckte er sich weg und rollte sich ab, um dem Hagel von Schlägen zu entgehen.
Er warf sich in die entgegengesetzte Richtung, als Dorsett sich erneut auf ihn stürzen wollte. Der alte Diamantenschürfer hatte schon manch einen Mann mit bloßen Händen und schierer Muskelkraft krankenhausreif geschlagen. Bereits in jungen Jahren, als er sich in den Minen die Hörner abgestoßen hatte, war er stolz darauf gewesen, nie zu Messer oder Schußwaffe greifen zu müssen. Seine Kraft und Größe genügten, um jeden auszuschalten, der sich überhaupt getraute, gegen ihn anzutreten. Und Dorsetts Körper war selbst noch in einem Alter, in dem die meisten Männer Speck ansetzten, hart wie Granit.
Pitt schüttelte den Kopf, um wieder zur Besinnung zu kommen. Er fühlte sich wie ein angeschlagener Boxer, der nur noch in den Seilen hängt, mühsam um einen klaren Gedanken kämpft und verzweifelt auf den Gong wartet. Gegen Dorsetts schiere Masse und Muskelkraft nutzten selbst die besten Kampfsportkünste nichts.
Den kann allenfalls eine Elefantenbüchse aufhalten, dachte Pitt. Wenn wenigstens Giordino anrücken würde. Der hatte zumindest die Neunmillimeterautomatik. Pitts Gedanken rasten. Er dachte über einen Ausweg nach, überlegte sich, wie er mit halbwegs heilen Knochen davonkommen könnte. Er zog sich hinter den Schreibtisch zurück, gewann dadurch etwas Zeit und grinste Dorsett an, auch wenn ihm dabei das ganze Gesicht weh tat.
Pitt hatte vor langer Zeit bei zahlreichen Kneipen- und Straßenschlägereien die Erfahrung gemacht, daß man mit Fäusten und Füßen keine Chance gegen Stühle, Bierkrüge und alle anderen harten Gegenstände hatte, die gerade zur Hand waren. Er sah sich nach der nächstbesten Waffe um. »Was nun, Alter? Willst du mich mit deinen faulen Zähnen beißen?«
Die Beleidigung erzielte die gewünschte Wirkung. Dorsett brüllte wie ein Wahnsinniger und trat mit dem Fuß nach Pitts Unterleib. Er kam einen Moment zu spät, so daß
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