Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
Vom Netzwerk:
wurden.
    Pitt stieg einen Niedergang hinunter und schaute in die Krankenstation. Sie war leer, desgleichen der Fitneßraum. Er ging über eine mit Teppichboden belegte Treppe hinunter zum Bootsdeck, wo sich die sechs Suiten des Schiffs befanden. Sie waren alle leer, bis auf eine. Eine ältere Frau lag dort, als schliefe sie. Er hielt die Finger an ihren Hals.
    Sie war eiskalt. Er stieg hinunter zum Salondeck.
    Pitt kam sich allmählich vor wie der Klabautermann auf einem Geisterschiff. Die Generatoren sorgten noch immer für Strom und Heizung, und alles wirkte ordentlich und aufgeräumt.
    Die Wärme des Inneren des Schiffes tat gut nach den eisigen Fluten, die ihn auf der Brückennock überspült hatten.
    Überrascht stellt er fest, wie abgehärtet er inzwischen auf den Anblick der Leichen reagierte. Er machte sich nicht mehr die Mühe, sie genau zu untersuchen und nachzusehen, ob sie noch ein Lebenszeichen von sich gaben. Er kannte die traurige Wahrheit.
    Obwohl er innerlich darauf vorbereitet war, mochte er noch immer kaum glauben, daß es keinerlei Leben mehr an Bord geben sollte. Daß der Tod ein ganzes Schiff heimgesucht hatte, als wäre eine Windsbraut hindurchgefegt, war eine völlig neue, beispiellose Erfahrung für ihn. Ihm war höchst unwohl bei dem Gedanken, daß er in ein Schiff eindrang, das einst glücklichere Zeiten erlebt hatte.
    Er fragte sich, was wohl künftige Passagiere und Besatzungsmitglieder davon halten würden, mit diesem verhexten Schiff auf Kreuzfahrt zu gehen. Würde nie wieder jemand auf der
Polar Queen
fahren wollen, oder wäre sie fortan ausgebucht, weil diese Tragödie scharenweise Menschen anlockte, die ein gruseliges Abenteuer suchten?
    Mit einemmal hielt er inne, spitzte die Ohren und lauschte.
    Irgendwo im Bauch des Schiffes erklang Klaviermusik. Er erkannte das Stück, eine alte Jazznummer namens »Sweet Lorraine«. Dann, so plötzlich, wie sie begonnen hatte, endete die Musik wieder.
    Pitt fing unter seinem Neoprenanzug an zu schwitzen. Er blieb kurz stehen und zog ihn aus. Die Toten wird’s nicht stören, wenn ich in Thermounterwäsche rumlaufe, dachte er mit einem Hauch schwarzen Humors. Er zog weiter.
    Er drang in die Kombüse ein. Rund um die Herde und die Arbeitstische lagen, teilweise über- und untereinander, die Leichen der Köche, Küchenhelfer und Kellner. Pitt packte bei diesem Anblick das kalte Grauen. Es sah aus wie in einem Schlachthaus, nur das Blut fehlte. Nichts als unförmige, leblose Leiber, mitten in der letzten Bewegung erstarrt, die sich an allem, was greifbar war, festklammerten, als würden sie von einer unsichtbaren Kraft weggezerrt. Erschüttert wandte sich Pitt ab und fuhr mit dem Küchenaufzug hinauf in den Speisesalon.
    Die Tische waren für ein Mahl gedeckt, das nicht mehr aufgetragen worden war. Die Bestecke, durch die heftigen Bewegungen des Schiffes verstreut, lagen noch auf den blütenweißen Tischtüchern.
    Der Tod mußte unmittelbar vor dem Mittagessen zugeschlagen haben. Er nahm eine Speisekarte und studierte die angebotenen Gerichte. Seebarsch, antarktischer Eisfisch, Toothfish (ein riesiger Polarmeerkabeljau) sowie Kalbssteak für diejenigen, die keinen Appetit auf Fisch hatten. Er legte die Karte wieder auf den Tisch und wollte gerade gehen, als ihm etwas auffiel. Er stieg über einen toten Kellner hinweg und ging zu einem Tisch an einem der Panoramafenster.
    Hier hatte jemand gegessen. Pitt starrte auf das Geschirr mit den Speiseresten. Ein fast leerer Suppenteller, offenbar mit einer Art Muschelsuppe, ein angebrochenes, mit Butter bestrichenes Baguettebrötchen, ein halbvolles Glas Eistee. Es sah aus, als hätte jemand gerade sein Mittagessen beendet und sich zu einem Spaziergang auf Deck begeben. Hat man wegen einer Person vorzeitig den Speisesalon geöffnet? fragte er sich. Daß jemand nach der Katastrophe hier gegessen haben könnte, daran wollte er gar nicht denken.
    Pitt ließ sich allerlei logische Erklärungen für diese mysteriöse Entdeckung einfallen. Aber bewußt meldete sich die Angst. Unwillkürlich warf er immer öfter einen Blick nach hinten. Er verließ den Speisesalon, kam am Bordshop vorbei und landete schließlich im Gesellschaftsraum. Neben einem kleinen Tanzparkett stand ein Steinway-Flügel. Tische und Sessel waren hufeisenförmig im Salon aufgestellt. Hinter einer Cocktailkellnerin, die gerade ein Tablett mit Getränken getragen hatte, als sie vom Tod überrascht worden war, sah er acht Männer und Frauen, die

Weitere Kostenlose Bücher