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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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sich ein andermal, wahrscheinlich jedoch würde sie in rund dreißig Jahren beim Abwracker landen. An diesem Tag jedoch pflügte sie noch durch das Meer.
    »Du hast sie klar bekommen! Du hast sie tatsächlich klar bekommen!« schrie Giordino, als traute er seinen Augen nicht.
    Pitt sank gegen die Reling der Brückennock. Er fühlte sich mit einemmal hundemüde. Dann spürte er den Schmerz an der rechten Hüfte. Er erinnerte sich undeutlich, daß er gegen den Stützposten eines Nachtlichts geprallt war, als ihn die riesige Woge erfaßt hatte.
    Er konnte zwar nicht durch den Neoprenanzug hindurchsehen, aber er ging davon aus, daß er sich einen wunderschönen blauen Fleck zugezogen hatte.
    Erst nachdem er die Steuerung auf direkten Kurs nach Süden, ins Weddellmeer, eingestellt hatte, drehte er sich um und blickte zu der Felseninsel, die wie eine zackengekrönte schwarze Säule aus der See ragte. Die steinerne Fratze an der steilen Wand wirkte geradezu wütend, als wäre sie erzürnt, daß man sie um ihr Opfer betrogen hatte. Dann fiel das öde Eiland rasch zurück, bis man von der
Polar Queen
aus kaum mehr als einen Haufen vom Meer umtoster Felsen erkennen konnte.
    Pitt blickte zu dem türkisfarbenen Hubschrauber hinauf, der über dem Ruderhaus schwebte. »Wie steht’s mit deinem Sprit?« fragte er Giordino.
    »Bis zur
Ice Hunter
reicht er. Dürften sogar ein paar Liter übrigbleiben«, antwortete Giordino.
    »Dann solltest du dich lieber auf den Weg machen.«
    »Hast du dir eigentlich schon mal überlegt, daß du mit einem Bergungskontrakt ein paar Millionen von der Versicherung kassierst, wenn du ein verlassenes Schiff aufbringst und in den nächsten Hafen steuerst?«
    Pitt lachte. »Meinst du wirklich, daß Admiral Sandecker und die Regierung der Vereinigten Staaten einen armen, aber ehrlichen Beamten das Geld behalten ließen, ohne ein großes Gezeter anzustimmen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Kann ich irgendwas für dich tun?«
    »Gib Dempsey einfach meine Position und sag ihm, daß ich jeden Treffpunkt seiner Wahl ansteuere.«
    »Bis bald«, meldete sich Giordino ab. Am liebsten hätte er sich noch darüber lustig gemacht, daß Pitt jetzt ein ganzes Kreuzfahrtschiff für sich allein hatte, doch dann wurde ihm der Ernst der Situation bewußt. Als einziger lebender Mensch auf einem Totenschiff zu fahren war alles andere als ein Vergnügen.
    Keine Sekunde beneidete er Pitt darum. Er zog den Hubschrauber herum und nahm Kurs auf die
Ice Hunter
.
    Pitt setzte den Helm ab und sah zu, sich wie der Helikopter im Tiefflug über die blaue, eiskalte See entfernte. Er schaute ihm hinterher, bis er nur mehr ein winziger Fleck am goldblauen Horizont war. Einen Moment lang kam er sich sehr einsam vor, während sein Blick über das verlassene Schiff schweifte. Später konnte er sich nicht mehr erinnern, wie lange er dagestanden und über das stille, unbelebte Deck gestarrt hatte. Er stand da, als wollte er den nächsten Schritt hinauszögern. Er war wie weggetreten.
    Er wartete auf irgendein Geräusch außer dem Klatschen der Wellen am Bug und dem steten Stampfen der Maschinen.
    Vielleicht wartete er auf einen Ton, der auf die Anwesenheit von Menschen hindeutete, auf Stimmen oder Gelächter.
    Wahrscheinlich aber hatte er bereits eine Vorahnung, was er hier entdecken würde. Schon jetzt bot sich ihm ein ähnliches Bild wie in der argentinischen Forschungsstation. Die toten Besatzungsmitglieder und Passagiere, die steif und naß auf den oberen Decks herumlagen, waren nur ein Vorgeschmack dessen, was ihn in den Mannschaftsquartieren und Luxuskabinen erwarten würde.
    Schließlich rief er sich zur Ordnung und begab sich ins Ruderhaus. Er stellte die Maschinen auf halbe Kraft und setzte einen Kurs ab, der sich in etwa mit dem der
Ice Hunter
schneiden mußte. Er gab die entsprechenden Koordinaten in den Navigationscomputer ein, aktivierte den Sollkurseinsteller und schaltete die Radaranlage hinzu, damit das Schiff vorbeitreibenden Eisbergen automatisch ausweichen konnte.
    Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß der
Polar Queen
keine weitere Gefahr drohte, verließ er das Ruderhaus.
    Unter den Leichen auf den Oberdecks befanden sich mehrere Besatzungsmitglieder, die bei Wartungsarbeiten vom Tod überrascht worden waren. Zwei hatten Schotten gestrichen, andere waren an den Rettungsbooten beschäftigt gewesen. Die Lage der acht toten Passagiere deutete darauf hin, daß sie die unberührte Küste bewundert hatten, als sie dahingerafft

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