Schockwelle
und unbeugsamen Willen wie er.
Deirdre schien förmlich ins Zimmer zu schweben. Sie wirkte selbstsicher und gelassen, trug ein schlichtes, aber elegantes weinrotes Wollkostüm mit zweireihiger Jacke. Eine Schönheit war sie unbestritten, und zudem ausgesprochen von sich überzeugt. Sie wußte genau, wozu sie fähig war. Nichts an ihr war aufgesetzt.
Wenn man von den zarten Zügen und dem geschmeidigen Körper einmal absah, zeichnete sie sich durch Eigenschaften aus, die man sonst eher Männern zuschrieb. Sie und Boudicca ließen sich pflichtschuldig auf zwei der insgesamt drei Sessel nieder, die vor Dorsetts Schreibtisch standen.
Maeve, die ihren Schwestern folgte, bewegte sich anmutig wie Schilfrohr im Abendwind. Sie trug einen gerippten weißen Rollkragenpulli, darüber ein blaukariertes Wollhemd mit Reißverschluß auf der Vorderseite und einen dazu passenden Rock. Die langen blonden Haare schimmerten sanft und seidig, ihr Teint war leicht gerötet, und die blauen Augen blitzten vor Zorn. Mit hochgerecktem Kinn ging sie an ihren Schwestern vorbei, den Blick fest auf ihren Vater gerichtet.
»Ich will meine Jungs wiederhaben!« blaffte sie. Es war keine Bitte, sondern eine Forderung.
»Setz dich, Mädchen«, befahl ihr Vater, griff zu einer Bruyerepfeife und richtete sie auf sie wie eine Pistole.
»Nein!« rief sie. »Du hast meine Söhne entführt, und ich will sie wiederhaben, sonst, ich schwör’s bei Gott, übergebe ich dich und diese beiden hinterhältigen Luder der Polizei. Aber vorher stell’ ich euch alle vor der Presse bloß.«
Er schaute sie ungerührt an und schätzte seelenruhig das Ausmaß ihres Trotzes ab. Dann meldete er sich über die Gegensprechanlage bei seiner Sekretärin. »Würden Sie mich bitte mit Jack Ferguson verbinden?« Er lächelte Maeve an. »Du erinnerst dich doch noch an Jack, nicht?«
»Dieser sadistische Affe, den du als Betriebsleiter bezeichnest. Was ist mit ihm?«
»Ich dachte, es interessiert dich vielleicht. Er ist der Babysitter der Zwillinge.«
Die Wut war wie weggeblasen. Statt dessen stand Maeve der Schreck ins Gesicht geschrieben. »Nicht Ferguson.«
»Ein bißchen Zucht und Ordnung hat kleinen Jungs noch nie geschadet.«
Sie wollte etwas sagen, doch in diesem Augenblick summte die Gegensprechanlage, und Dorsett hob die Hand und gebot ihr zu schweigen. Er sprach in das Lautsprechertelefon auf seinem Schreibtisch. »Jack, sind Sie das?«
Im Hintergrund hörte man schweres Gerät, als Ferguson über sein Mobiltelefon antwortete. »Ich bin’s.«
»Sind die Jungs in der Nähe?«
»Ja, Sir. Ich lass’ sie gerade Abraum aufladen, der von den Karren gefallen ist.«
»Ich möchte, daß Sie einen kleinen Unfall…«
»Nein!« schrie Maeve. »Mein Gott, sie sind gerade mal sechs Jahre alt. Du kannst doch nicht deine eigenen Enkel ermorden!«
Entsetzt stellte sie fest, daß Deirdre keine Miene verzog, während Boudiccas Blick kalt wie ein Grabmal aus Granit wirkte.
»Ich betrachte diese Bastarde nicht als meine Enkel!« brüllte Dorsett zurück.
Maeve wurde von einer schier unerträglichen Angst erfaßt.
Diese Auseinandersetzung konnte sie nicht gewinnen. Ihre Söhne waren in Lebensgefahr, und sie erkannte nur zu deutlich, daß sie sie nur retten konnte, wenn sie sich dem Willen ihres Vaters unterwarf.
Allzu schmerzlich war sie sich ihrer Hilflosigkeit bewußt. Sie mußte irgendwie Zeit gewinnen, sich etwas auszudenken, wie sie ihre Jungs retten konnte. Nur darauf kam es an. Wenn sie doch nur dem Mann von der NUMA hätte klarmachen können, in welcher Notlage sie steckte. Ihm wäre vielleicht ein Ausweg eingefallen. Aber er war Tausende von Kilometern weg.
Geschlagen, aber nach wie vor trotzig ließ sie sich auf den freien Sessel sinken. »Was willst du von mir?«
Ihr Vater wurde gelöster. Er drückte auf eine Taste am Telefon und beendete das Gespräch. Die Falten um seine Augenwinkel vertieften sich. »Ich hätte dich verprügeln sollen, als du noch klein warst.«
»Das hast du, mein lieber Papa«, sagte sie. »Oft sogar.«
»Genug jetzt«, knurrte er. »Ich möchte, daß du in die Vereinigten Staaten fliegst und bei der National Underwater and Marine Agency arbeitest. Behalte sie genau im Auge. Stell fest, zu welchen Methoden sie greifen, um die Ursache dieser rätselhaften Todesfälle herauszufinden. Wenn sie der Lösung nahe kommen, mußt du sie unter allen Umständen aufhalten.
Notfalls durch Sabotage oder Mord. Wenn du versagst, werden die
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