Schockwelle
Meer?« wollte Maeve wissen.
»Vor etwa einem Jahr haben meine Ingenieure eine revolutionäre Fördermethode zum Abbau von Blauerde erfunden. Offenbar erzeugen die Felssockel der Inseln, auf denen wir schürfen, eine Art Resonanz, die sich im umliegenden Wasser ausbreitet. In seltenen Fällen kann es zu einer Konvergenz mit Schallwellen kommen, die in unseren anderen Bergwerken in Sibirien, Chile und Kanada erzeugt werden.
Dadurch können diese Wellen so stark werden, daß sie Mensch und Tier töten. So bedauerlich das auch sein mag, durch solch unvorhersehbare Begleiterscheinungen darf mein Zeitplan nicht in Gefahr geraten.«
»Begreifst du denn nicht, was du anrichtest?« rief Maeve. »Ist dir völlig gleichgültig, wie viele Meerestiere und Menschen du mit deiner Gier tötest? Wie viele müssen denn noch sterben, ehe du in deinem Wahn zufrieden bist?«
»Erst wenn ich den Diamantenmarkt vernichtet habe, werde ich aufhören«, gab Dorsett eiskalt zurück. Er wandte sich an Boudicca. »Wo ist die Jacht?«
»Ich habe sie nach Kunghit Island weitergeschickt, als ich in Honolulu an Land gegangen und heimgeflogen bin. Mein dortiger Sicherheitschef hat mir mitgeteilt, daß die kanadische Polizei Verdacht geschöpft hat. Sie überfliegen die Insel, fotografieren und fragen die Leute in den umliegenden Ortschaften aus. Ich möchte wieder auf die Jacht, wenn es dir recht ist. Außerdem sagen unsere Geophysiker, daß es demnächst zu einer weiteren Konvergenz kommen wird, etwa fünfhundert Kilometer westlich von Seattle. Ich wäre ganz gern in der Nähe, um mögliches Treibgut zu beseitigen und die Untersuchungen der Küstenwache zu hintertreiben.«
»Nimm den Firmenjet und komm so bald wie möglich zurück.«
»Du weißt, wo es die nächsten Todesfälle geben wird?« fragte Maeve bestürzt. »Dann mußt du sämtliche Schiffe warnen, damit sie sich von dem Gebiet fernhalten.«
»Keine gute Idee‹‹, erwiderte Boudicca. »Dann wüßte ja alle Welt um unser Geheimnis. Außerdem können Papas Wissenschaftler nur in groben Zügen schätzen, wo die Schallwellen das nächstemal zuschlagen.«
Maeve starrte ihre Schwester an, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepreßt. »Ihr habt es ziemlich genau gewußt, als ihr Deirdre auf die
Polar Queen
geschickt habt, um mir das Leben zu retten.«
Boudicca lachte. »Glaubst du das wirklich?«
»Das hat sie mir gesagt.«
»Ich habe gelogen, damit du den Leuten von der NUMA nichts erzählst«, sagte Deirdre. »Tut mir leid, Schwesterherz, aber Papas Ingenieure haben sich zeitlich etwas verschätzt. Die Schallwellen sollten das Schiff drei Stunden früher treffen.«
»Drei Stunden früher…«, murmelte Maeve, als ihr die schreckliche Wahrheit allmählich dämmerte. »Dann wäre ich noch auf dem Schiff gewesen.«
»Und du wärst ebenso gestorben wie die anderen«, sagte Deirdre, als wäre sie leicht enttäuscht.
»Ihr wolltet, daß ich umkomme«, stieß Maeve aus, und ihr Gesicht verzog sich vor Abscheu und Entsetzen.
Ihr Vater schaute sie an, als betrachtete er einen Stein, den er soeben in seiner Mine aufgelesen hatte. »Du hast dich von mir und deinen Schwestern abgewandt. Damit warst du für uns gestorben. Und das gilt noch immer.«
19
Ein erdbeerrotes Wasserflugzeug, auf dessen Rumpf in weißen Blockbuchstaben
Chinook Cargo Carriers
stand, schaukelte sanft in der Dünung neben einem Treibstoffanleger unweit des Flughafens von Shearwater im kanadischen Bundesstaat British Columbia. Ein kleiner, braunhaariger Mann mit ernstem Gesicht, der eine altmodische lederne Fliegerkombination trug, hielt den Zapfhahn in den Kraftstoffstutzen an einem der Flügeltanks. Er blickte nach unten und musterte den Mann mit dem Rucksack und dem großen, schwarzen Koffer, der lässig den Pier entlangkam. Er trug Jeans, eine Daunenweste und hatte einen Cowboyhut auf dem Kopf. Als der Fremde neben dem Flugzeug stehenblieb und nach oben blickte, deutete der Pilot mit dem Kinn auf den breitkrempigen Hut.
»Ein Stetson?«
»Nein, eine Sonderanfertigung von Manny Gammage in Austin, Texas.«
Der Fremde betrachtete das Wasserflugzeug. Dem Aussehen nach zu schließen, mußte es vor 1970 gebaut worden sein. »Eine de Havilland, nicht wahr?«
Der Pilot nickte. »Eine de Havilland Beaver, eine der besten Buschmaschinen, die je konstruiert wurden.«
»Alt, aber oho.«
»1967 in Kanada gebaut. Kann mit über viertausend Kilo Nutzlast nach hundert Metern aus dem Wasser starten. Gilt als
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