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Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Titel: Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Sievers
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Irgendwann fuhren sie ab, das Absperrband blieb und ein Wachmann vor der Tür. Die Dörfler zogen ab, nur Volkan war noch dort. Der Polizist sah an ihm vorbei, und Volkan begann, das Päckchen auszuwickeln. Es war der Totenkopf aus Bernstein, an einer goldenen Kette. Er legte ihn um den Hals, warf das Papier auf den Boden und machte sich auf den Heimweg. Es war spät geworden.
    Der Vater erwartete ihn: »Da bist du ja endlich«, er fuchtelte mit den Armen, »man sagt, es ist das Mädchen gewesen, wasch dir die Hände und iss, sie verhören das Mädchen und die Großmutter, was sind das für gottlose Menschen…« Er redete in einem fort.
    Volkan trat an das Waschbecken, der Totenkopf brannte auf seiner Brust, er griff nach dem Kettchen und zerrte daran. Es zerriss. Er packte es samt Anhänger, warf beides in den Mülleimer zu Knochen und Kartoffelschalen und setzte sich an den Tisch. Sein Vater tat ihm auf, Eintopf, er hatte Kochen gelernt, seit die Mutter fort war, er hatte alles gelernt, was Frauen sonst tun, waschen, bügeln, nähen. Der Vater wusste, er würde allein bleiben, alleinstehende Frauen gab es nicht auf dem Dorf, nicht in seinem Alter, keine, die einen Türken mit Sohn und Tankstelle wollte.
    Volkan aß kaum, bekam nichts hinunter, murmelte eine Entschuldigung und trug seinen Teller zur Spüle, leerte Lamm und Kartoffeln in den Eimer, über Utes Geschenk. Er ging in sein Zimmer, hörte seinen Vater abwaschen, den Fernseher anschalten, einen Tee kochen. Volkan legte sich auf sein Bett, wo gestern noch Ute gelegen hatte. Er zog sich nicht aus, irgendwann schlief er ein, träumte wirr und erwachte verschwitzt, als der Vater an die Tür klopfte, es sei Zeit aufzustehen. Wo mochte Ute geschlafen haben, wo schlief ein Mädchen, das zur Mörderin geworden war? Er sank zurück auf das Bett und ballte die Fäuste. Er liebte sie noch immer.
    Der Vater kam in sein Zimmer, ergriff Volkans Arm, zog ihn hoch und ins Bad, reichte ihm ein frisches Hemd, saubere Hosen, schob ihn an den kleinen Küchentisch, wo der Tee wartete. Er hockte sich ihm gegenüber: »Du musst vergessen, was geschehen ist, vergiss das Mädchen. Die Zeit heilt deine Wunden, du wirst sehen.«
    Volkan nickte, nahm einen Schluck Tee und erhob sich. Es würde das Beste sein, Vaters Rat zu folgen. Doch jetzt fehlte ihm fast die Kraft, ein Bein vor das andere zu setzen, sogar das Atmen fiel ihm schwer.
    Er schleppte sich zur Schule, stellte sein Fahrrad, Utes Fahrrad, in den Ständer, das grüne fehlte. Er wurde auf dem Schulhof von seinen aufgeregten Mitschülern erwartet: »Hast du gehört, Volkan, schon wieder Tote im Dorf, und sie haben das Mädchen mit der Hasenscharte verhaftet!« Er hörte ihnen zu, ihren Mutmaßungen, wie es vor sich gegangen sein mochte. Sie habe Mutter und Onkel vergiftet, im Schlaf erschlagen, erdrosselt, die Stimmen überschlugen sich. Der Schulgong ertönte. Volkan war erleichtert, ins Klassenzimmer gehen zu dürfen und in einen dumpfen Halbschlaf zu fallen, der ihn für einen Moment von den Bildern in seinem Kopf erlöste.
    Ein paar Tage ging es so, dann wurde man das Thema leid. Die Polizei kam noch einmal zurück, eine Frau diesmal, die ihn mit leiser Stimme verhörte. Sie saßen in der Küche, der Vater neben ihm, die Hand auf Volkans Schulter. Sie fragte, was geschehen sei in den Tagen vor dem Unglück, die Frau sagte
Unglück
, und jedes Mal, wenn sie das Wort aussprach, wurde ihre Stimme weich, als wolle sie Volkan nicht erschrecken. Er dachte daran, dass er Ute nie geküsst hatte, und verriet nicht, dass der Onkel sich an ihr vergriffen hatte, mochte er in der Hölle schmoren.
    Er funktionierte mechanisch, litt abends im Bett an seiner Erinnerung, verschaffte sich schließlich Erleichterung, beschmutzte Ute noch einmal in Gedanken, spritzte ab auf ihren weißen Bauch und weinte.
    Vier Wochen vergingen quälend langsam, man sagte, Ute sei in einem Heim für schwer erziehbare Mädchen nicht einmal fünfzig Kilometer entfernt. Volkan fragte die Bibliothekarin, wie lange man für einen Mord eingesperrt würde, einen Doppelmord. Sie sah ihn traurig an: »Sie ist nicht eingesperrt, man kümmert sich um sie, um ihre geschundene Seele, so lange, bis sie wieder gesund ist und auf eigenen Füßen stehen kann.« Dann saß sie also nicht hinter Gittern, Volkan nickte.
    Am dreiunddreißigsten Tag kam Utes Brief.
    Volkan hockte am Küchentisch, versuchte, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren, er musste das Schuljahr

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