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Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Titel: Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Sievers
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schaffen. Der Vater legte den Umschlag stumm vor ihn. Dünnes grünes Papier, Volkans Name darauf winzig, in Bleistift geschrieben, noch kleiner in einer Ecke Utes Name. Volkans Herz begann zu rasen, der Vater machte eine wegwerfende Handbewegung und wandte sich ab. Volkan wartete, bis die Tür ins Schloss fiel, öffnete das Kuvert mit zitternden Händen, zog einige kleine Zettel hervor, mit blassen Buchstaben eng beschrieben, als habe es der Hand an Kraft gemangelt, sie zu Papier zu bringen.
    »Lieber Volkan«, stand da, »Du sollst wissen, wie es gewesen ist, damit Du mir verzeihen kannst«, und dass er der Einzige sei, dem sie davon berichte.
    Sie spreche nicht mehr.
    Dann eine Schilderung ihrer Tat, sie könne sich an alles erinnern, wie die Haut des Onkels unter der Kugel platzte, wie die Mutter sie aus aufgerissenen Augen ansah, fassungslos noch im Moment des Todes, eine Sekunde habe sie, Ute, gezögert, dann war der Hass stärker. Nicht, weil der Onkel sie geschändet hatte, nicht, weil die Mutter danebengestanden hatte, ohne zu helfen. Sondern, weil sie Volkan verloren glaubte, endgültig, durch die Schuld der beiden, und das habe sie nicht ertragen können.
    Volkan legte den Brief beiseite, ohne zu Ende zu lesen. Ihm war übel geworden. Er war schuld, schuld am Tod zweier Menschen und den Qualen eines dritten, den er liebte. Er stand auf, ging um den Tisch herum, rieb sich die Schläfen, setzte sich wieder und zwang sich weiterzulesen. Es folgte eine kurze Beschreibung ihrer Therapie, Einzelgespräche, Gruppengespräche, Beschäftigung, Pillen, dann die letzten Worte: »Ich werde für lange Zeit hierbleiben, hat man mir gesagt, und ich kann warten, wenn es sein muss, aber nicht, ohne Dich noch einmal zu sehen. Nicht, ohne zu hören, dass Du mir vergibst.«
    Er hielt inne. Starrte auf ihre Worte.
    Sie würden warten, und es würde eine Zeit danach geben.
    Er erhob sich, faltete den Brief und steckte ihn zurück in das Kuvert. Trat an das Fenster, das auf die Tankstelle hinausging, stand lange dort und fühlte seine Kräfte zurückkehren.
    Reckte die Schultern, verspürte Hunger, ging zum Tisch und stopfte eine Handvoll Plätzchen in seinen Mund, der Vater buk jetzt sogar.
    Ob Ute wohl Besuch empfinge?
    An diesem Abend und den darauffolgenden lag Volkan lange wach, dachte an ihr Wiedersehen, malte sich den Moment aus, da er ihr in die Augen blickte und schließlich versicherte, dass er ihr verzieh und Allah auch, da war er sicher.
    Der Vater bemerkte, dass es Volkan besser ging. Er aß wieder und trank, und sein Schritt war beschwingt; er lachte über Vaters Späße, die ewig gleichen. Der Vater nahm Volkan in den Arm und küsste ihn: »Siehst du, mein Sohn, die Zeit heilt alle Wunden.«
    Volkan nickte.
    Am neununddreißigsten Tag kam Ute.
    Es war ein nasser, kalter Frühlingstag, die Wolken jagten über den Himmel, hin und wieder ein Schauer, und Volkan trat mittags vor das Schultor. Er zog sich den Anorak über den Kopf, er hatte den Rucksack darunter auf dem Rücken, sah aus wie ein Buckliger, und dachte an sie. Er dachte immer an sie, beim Erwachen, sein Glied eine Wölbung unter der Decke, in der Schule, wenn er aus dem Fenster auf den Schulhof starrte, nachmittags, wenn er mit den anderen rauchte und über Mädchen redete, die ihm nichts bedeuteten, abends, wenn er im Bett lag und das Laken streichelte, auf dem sie gelegen hatte.
    Jetzt stand sie da neben dem Herrenrad, in einer Jacke aus falschem Pelz, die er nicht kannte. Sie war dünn geworden und starrte ihm entgegen. Er schrak zusammen, wusste nicht, was tun; als er sah, dass sie fror, ging er auf sie zu, zog seinen Anorak aus und legte ihn um sie: »Du zitterst ja!« Sie zuckte mit den Schultern, er hob das Fahrrad aus dem Ständer: »Lass uns abhauen. Ich mache dir Tee, zu Hause.«
    Sie gingen am Straßenrand nebeneinander her. Ute schwieg, und Volkan bat: »Du musst sprechen, wenn du möchtest, dass ich dir verzeihe.« Sie senkte den Kopf, ein Räuspern, dann mit ihrer eigentümlichen Stimme: »Ich bin per Anhalter gekommen. Sie werden mich bald gefunden haben.«
    Volkan biss sich auf die Unterlippe, natürlich, man würde sie suchen, sie war eine entflohene Mörderin. »Setz die Kapuze auf, wenn wir ins Dorf kommen!«
    Sie tat, was er sagte, und als sie sich der Tankstelle näherten, erkannte der Vater das Mädchen mit der Hasenscharte nicht. Er hatte Kundschaft und winkte nur, es kam vor, dass der Sohn Freunde zum Tee mitbrachte.
    Volkan schob

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