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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Schrei kam nicht von den Raben, sondern eindeutig aus dem Kinosaal. Ein Schauer fuhr mir den Rücken hinunter.
    Die Saaltüren standen offen. Wir stürzten hinein. Die Beleuchtung war an. Wir sahen sie sofort. In einer der hinteren Reihen saß eine Frau. Ihr Kopf war auf ihre Brust gesunken. Ein orangeroter Schal war eng um ihren Hals geschlungen.
    Während sich Orlando auf die arme Frau stürzte, sah ich nach dem Platzanweiser. Er lag ohnmächtig am Boden. Ich tätschelte seine Wangen und bat Orlando, mir zu helfen, ihn auf einen Kinosessel zu hieven.
    Als der junge Mann wieder zu sich gekommen war, ersuchte ich ihn, die Polizei anzurufen. Dann erst kümmerte ich mich um die Leiche.
    Das lange dunkle Haar ergoss sich über die Rückenlehne des Kinositzes. Ihr Gesicht war wohlgeformt, ebenmäßig wie das einer griechischen Göttin und glatt, als wäre es aus weißem Marmor. Die großen dunklen Augen starrten ausdruckslos zu Boden. Etwa einsfünfundsechzig, gute Figur, Alter vielleicht dreißig, registrierte ich so nebenbei. Ihre Zunge, die im schwachen Licht violett schimmerte, hing aus dem Mund. Sie war mit dem Seidenschal erdrosselt worden.
    Mir war zum Heulen zumute. Ich erinnerte mich, dass meine Großmutter behauptet hatte, man müsse frisch Verstorbenen die Augen schließen, damit sie nicht nach weiteren Opfern Ausschau halten konnten, die sie mit sich ins Grab ziehen würden. Rasch vergewisserte ich mich, dass weder der Platzanweiser noch Orlando hersahen, und schloss der Toten die Augen. Vermied es dabei, ihr ins Gesicht zu sehen.
    Wieder war das Opfer eine schöne, junge Frau. Ich war nun endgültig davon überzeugt, dass ein Serienkiller in Margareten sein Unwesen trieb. Es lag einfach auf der Hand.
    Als kurz danach die Polizei eintraf, ging alles sehr schnell. Sie befragten Orlando, den Platzanweiser und mich ganz kurz. Nahmen unsere Daten auf und kündigten an, dass sie uns in den nächsten Tagen aufs Kommissariat bestellen würden. Susanne Schaefer-Wiery, die das Filmcasino leitete, war inzwischen ebenfalls eingetroffen. Wir setzten uns mit ihr ins Foyer, um der Spurensicherung nicht im Weg zu sein. Ich hatte sie noch nie außer Fassung erlebt, hatte sie immer um ihre Gelassenheit und ihre souveräne Art beneidet. Doch in dieser Nacht stand auch ihr die Angst ins Gesicht geschrieben. Kreidebleich und mit zittriger Stimme begann sie ihre Angestellten zu befragen.
    „Ich kannte die Tote“, unterbrach Orlando sie. „Ihr Name ist Anja. Sie war Künstlerin oder eher Kunstgewerblerin.“
    „Anja?“, fragte ich.
    „Ja. Eine Polin. Sie machte wunderschöne Seidenschals und auch Seidenbilder, die sie auf diversen Kunst- und Weihnachtsmärkten verkaufte.“
    Sowohl das Mädchen vom Buffet als auch der junge Platzanweiser glaubten sich zu erinnern, dass sich Anja vor der Vorstellung ein Cola gekauft hatte. Der Platzanweiser behauptete, dass hinter Anja ein mittelgroßer Mann in einer weiten Bomberjacke gesessen sei. Leider konnten weder Orlando noch ich Konstruktives beitragen. Wir waren in der fünften Reihe gesessen und außerdem zu spät gekommen, hatten also keinen der anderen Kinobesucher gesehen.
    „Die Gerichtsmediziner werden bestimmt auf etwas stoßen, womit sie ruhiggestellt worden ist“, sagte Frau Schaefer- Wiery. „Sie war sicher nicht mehr bei Bewusstsein, als sie erdrosselt wurde. Sonst hätte sie geschrieen oder zumindest irgendwelche Laute von sich gegeben.“
    „Rohypnol?“ Orlando sah uns fragend an.
    „Möglich. Oder vielleicht irgendwelche K.o.-Tropfen? Zur Zeit ist ‚Liquid Ecstasy‘ in. Davon kann, glaube ich, schon ein kleiner Schluck zu tiefer Bewusstlosigkeit führen“, sagte Susanne Schaefer-Wiery.
    „Ruf doch Gergely an. Der ist ja Chemiker. Er wird uns bestimmt sagen können, wie lange das Zeug braucht, bis es wirkt“, sagte Orlando zu mir.
    „Du hast Recht. Ich will ihn ohnehin schon die längste Zeit mal sprechen. Aber ich hab eine gewisse Scheu vor ihm. Ich weiß gar nicht warum“, stammelte ich.
    „Soll ich ihn anrufen?“, fragte Frau Schaefer-Wiery, die inzwischen wieder ruhig und gefasst wirkte. Ich nickte dankbar.
    Wir verließen das Kino kurz vor Mitternacht. Ausnahmsweise plapperte Orlando mal nicht drauflos, sondern ging schweigend neben mir her.
    Plötzlich sagte er: „Sie war es!“
    „Was meinst du?“
    „Diese Anja war heute Abend im Motto. Ich hab nicht auf sie geachtet, hatte eine Aussprache mit Bernd. Außerdem waren wieder mal jede Menge Promis

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