Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
ich.
„Wer?“
„Na der Gergely himself.“
„Nein, das ist der echte Bezirksvorsteher.“
„Er sieht ihm aber ähnlich, oder? Ich kenne ja beide nur von Zeitungsfotos.“
„Vielleicht dieselbe Größe. Aber der Gergely ist anders gebaut und trägt eine Brille. Außerdem hat er einen moderneren Haarschnitt. Geht immer in den Frisiersalon Pranz.“
„Vielleicht sollte der Bezirksvorsteher auch mal zum Werner Pranz gehen, und du gleich mit ihm“, sagte ich grinsend.
Es war kurz vor 18 Uhr. Rudi hatte zu tun. Ich bestellte mir ein Beef Tartar und rief dann Frau Magister Schaefer-Wiery an. Als sie noch Chefin des Polycolleges gewesen war, hatte ich dort nicht nur einen Barkeeper-Kurs besucht, sondern auch mal an einem Töpfer-Kurs teilgenommen. Obwohl ich mich nicht für begabt hielt, hatte es mir großen Spaß gemacht, mit der feuchten Erde herumzumatschen. Was wohl Dr. Mader dazu sagen würde?
Ich bekam Susanne Schaefer-Wiery gleich an den Apparat und erklärte ihr, dass es um den Mann ging, der einst ihre Kursteilnehmerinnen belästigt hatte.
„Nachdem er bei einem Mokassin-Kurs einige Frauen begrapscht hatte, habe ich ihm Hausverbot erteilt. Ich habe ihn damals nur verwarnt und nicht die Polizei gerufen …“, sagte sie.
„Mokassin-Kurs?“, unterbrach ich sie.
„Ja, das ist einer der beliebtesten Kurse. Die Teilnehmer lernen dort, Mokassins nach Art der Apachen herzustellen. Als er dann versucht hat, in den Möbelrestaurationskurs rein-zukommen, habe ich ihm die Teilnahme natürlich verwehrt. Aber ich kenne ihn nicht näher.“
Als mein Beef Tartar kam, bedankte ich mich bei ihr und legte auf.
Plötzlich umarmte mich jemand von hinten. Ich ließ das Messer fallen und drehte mich um. Tonys jungenhaftes Grinsen brachte mich erst recht aus der Fassung. Der mit Senf garnierte Bissen Beef landete auf meinem Busen. Fürsorglich machte er sich mit einer Serviette daran zu schaffen. Obwohl ich eigentlich protestieren wollte, als er etwas zu sorgfältig mein Dekolletee reinigte, musste ich lachen.
„Die sanfte Beleuchtung hier lässt honigfarbene Flecken in deiner grünen Iris aufleuchten“, sagte er. Und er sagte noch mehr solch nette Sachen …
„Die Schlossgasse 21 war einst berüchtigt für rauschende Feste – das war vor deiner Zeit“, wechselte er das Thema, als sich Romanski unserem Tisch näherte.
„Ich weiß, der echte Roman Polanski war auch mal da. Sogar der Friedensnobelpreisträger Óscar Arias Sánchez und eine meiner Lieblingssängerinnen, Joan Armatrading, waren hier mal bei einer Friedenskonferenz zu Gast. Damals war ich noch nicht in Wien, aber mein Großvater hat mir davon erzählt.“
Kaum war Romanski wieder außer Hörweite, begann Tony erneut, mir schönzutun. Obwohl ich ihn am Schmäh hielt, musste ich mir eingestehen, dass ich nicht ganz unempfänglich für seine Komplimente war.
Tony wollte alles über mich und meine Vergangenheit wissen. Ich sprach zwar nicht gern über meine Familie, aber er ließ nicht locker. Schließlich erzählte ich ihm von meinem Leben in den USA, von meinem Onkel, dem Teufelsgeiger, der mich nach dem Tod meiner Eltern bei sich aufgenommen hatte. Tony wusste ja bereits, dass meine Vorfahren mütterlicherseits Roma waren.
„Obwohl ich angeblich meiner Mutter ähnlich sehe, abgesehen von meiner Haarfarbe, bin ich eher nach meinen tschechisch-österreichischen Vorfahren geraten …“
„Ich steh auf exotische Frauen“, warf er ein.
„Dann wäre meine Mama oder gar meine Oma bestimmt die Richtige für dich gewesen.“
Er ließ seine Hand über die Innenseiten meiner Schenkel gleiten. Ich schob sie weg.
„Nun zu dir. Wer bist du?“, fragte ich.
Tony erwähnte nur, dass seine Mutter Spanierin gewesen wäre und sein Vater ein spießbürgerlicher, unsympathischer Wiener Feuerwehrmann. Er hatte seinen Vater gehasst und schien froh zu sein, dass er tot war. Ich tippte auf Muttersöhnchen. Und mit denen hatte ich eigentlich nichts am Hut.
„Die Schlossgasse 21 entsprach wahrscheinlich von all den Lokalen des Schlossquadrats am meisten den Vorstellungen dieses Szene-Kings. Damals war er halt noch jünger und lustiger“, sagte Tony.
„Wer?“
„Na der Gergely.“
„Ach so.“
„Heute ist dieses ruhige, nostalgische Gewölbe eher ein Treffpunkt für Genießer und Romantiker, die sich einen schönen Abend zu zweit machen wollen.“ Er sah mir tief in die Augen.
„Ich weiß nur, dass es hier fantastische Filets vom argentinischen
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